„Wir wollen keine Mauer um die Ökostadt“

■ Im brandenburgischen Fürstenberg soll ein Modellprojekt entstehen / Ohne die alteingesessenen Bürger ist die Utopie dort nicht zu verwirklichen, sagen die Planer

Noch ist das brandenburgische Fürstenberg eine ganz normale Stadt, ein Ort unter vielen. Doch in den nächsten Jahren könnte sich das drastisch ändern: Die Berliner Ökostadt GmbH hat sich die 80 Kilometer nördlich von Berlin gelegene Gemeinde als Standort für ihre schon lange geplante ökologische Musterstadt ausgeguckt und wartet jetzt nur noch auf grünes Licht von Stadt und Land.

Nur noch ökologischen Prinzipien sollen Bauen, Wohnen, Arbeiten und Freizeit entsprechen, falls die Genehmigungen erteilt werden. Das bedeutet aber nicht, daß die jetzt bestehende Stadt abgerissen und neu aufgebaut werden muß. Am Rande der heutigen Stadt soll, auf einem früher von GUS-Truppen benutzten Gelände, umweltverträgliches Leben und Arbeiten möglich werden.

Hannes Linck, Geschäftsführer der Gesellschaft, stellt sich die Mustersiedlung als ökologische Oase inmitten intakter Natur vor: Bis zu 1.500 Menschen werden dort auf relativ engem Raum als Gemeinschaft wohnen. Privatautos soll es auf den Straßen nicht geben, nur Busse und Lieferverkehr. Die Häuser, so sieht es das Konzept vor, werden überwiegend aus Holz errichtet, die restlichen Baustoffe werden ebenfalls nach Umweltverträglichkeit ausgewählt. Innerhalb der relativ dicht stehenden Bauten soll, so Lincke, viel Grün angepflanzt werden. Angestrebt wird ein „Null-Energieverbrauch“ der Häuser zum Beispiel durch Solarenergie und gute Isolierung, doch am öffentlichen Stromnetz führt auch für die Ökostadt kein Weg vorbei. Auch bei der Planung der Wasserversorgung will Linck Fehler vermeiden, etwa durch den Bau getrennter Brauch- und Trinkwassersysteme, durch Sammeln und Aufbereiten des Regenwassers sowie Komposttoiletten. „Ganz wichtig“, sagt Linck, „ist der soziale Aspekt der Siedlung.“ Vor allem das Verhältnis zwischen Fürstenbergern und „Zugereisten“ müsse stimmen, damit das Projekt ein Erfolg wird. Von Anfang an hat die Gesellschaft deshalb versucht, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen, denn die Ökostadt soll offen für die rund 5.000 Einwohner sein. „Wir wollen keine Mauer um die Ökostadt, auch wenn einige Fürstenberger das befürchten“, sagt Linck. Auf dem Gelände will die Gesellschaft deshalb auch für eine Anzahl von Sozialwohnungen sorgen.

Möglichst viele verschiedene gesellschaftliche Gruppen sollen nach dem Willen der Gesellschaft das Profil der Ökostadt prägen. Gedacht wird an die Errichtung eines Altenheims, sogar an ein SOS- Kinderdorf. „Schritt für Schritt“, so Linck, „wird so eine Gemeinschaft entstehen.“ Doch noch ist es nicht so weit: Linck weiß von Fürstenberger Bürgern, die Angst vor den „Fremden aus Berlin“ haben. Dazu gehören zum Beispiel Geschäftsleute, die Konkurrenz erwarten. Nach Lincks Ansicht müßten die Fürstenberger aber in dieser Hinsicht nichts befürchten: „Wenn die ersten Häuser gebaut werden, werden wir die erforderlichen Sachen in Fürstenberg einkaufen. Betriebe, die sich später ansiedeln könnten, wären keine Konkurrenz, weil sie andere Dinge produzieren.“ Linck denkt dabei an ökologische Holzverarbeitung oder eine Fahrradmanufaktur.

Bei Gesprächen mit Fürstenbergern hören die Ökostadt-PLaner immer wieder: „Nun macht doch erst mal was!“ Doch die GmbH ist kein großer Investor, der schnell und dauerhaft eine große Zahl jener Arbeitsplätze schaffen wird, die sich viele Fürstenberger immer noch erhoffen. Das Konzept sieht vielmehr vor, die Stadt nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen, sondern die Bürger zum Mitmachen anzuregen. Und die Gesellschaft sieht sich dabei nur als Wegbereiter, die erste Wohn- und Geschäftsräume auf dem Gelände herstellt, die nötigen Fördermittel herbeischafft und somit dafür sorgt, daß die Ökostadt gebaut werden kann. Der Grund und Boden, auf dem die verschiedenen Bauten errichtet werden, soll nicht verkauft, sondern verpachtet werden, um Spekulationen vorzubeugen. Bis zu 20 Jahren, so rechnet Linck, könne es dauern, bis die Ökostadt steht: „Zu schaffen ist das aber nur, wenn wir die Fürstenberger dazu kriegen, mitzumachen.“ Martin Böttcher

Infomaterial gegen 4 Mark in Briefmarken beim Ökostadt-Büro, Dimitroffstraße 219. Infoabende jeden 3. Mittwoch im Monat.