Durchs Dröhnland: Big Fuckin Lärm
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Das Berliner Band Syndikat, diese Organisation, wenn man sie denn so nennen will, hat wider allen Erwartungen doch die mannigfaltigen Eifersüchteleien in der hauptstädtischen Musikszene halbwegs überwunden. Allen Unkenrufen trotzend hat man zwecks Geldbeschaffung bereits ein Festival auf die Beine gestellt und geht nun auch in die Breite. Neueste Aktivität ist eine Reihe im K.O.B., in deren Rahmen jeweils am letzten Freitag im Monat drei (natürlich) Berliner Bands für wenig Geld zu sehen sind. Den Anfang machen die schon recht etablierten Orgasm Death Gimmick mit allseits beliebtem Funk- Metal, Expire mit eher zähflüssigem Schweinemetal, der in seinen besten Momenten an St. Vitus gemahnt und doch nicht auf die momentan anscheinend unvermeidlichen Rap-Einlagen verzichten mag, und schlußendlich T.X.Barryt mit – das kann man leider nicht anders nennen – ultrapeinlichem Dumpfbacken-Hardrock. Da heißen Songs noch „Street Warriors“ und knödelt die Stimme, daß selbst Jon Bon Jovi davon schlecht werden würde. Geht nach Los Angeles, geht in Frieden, aber geht!
Am 29.10. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg
Herr Blum auf Platte kann, das liegt so in der Natur der Sache, gar nicht Herr Blum sein. Wenn die Familie Wagner aus Hönow auf einer Bühne steht, dann passiert Herr Blum, da kann man nicht einfach nur zuhören. Vater Jürgen schmeißt heftig und vielsagend gestisch Farbe auf monströse Leinwände, Sohn Thomas malträtiert die Gitarre zu vom Band kommenden Rhythmustracks. Zwischen den beiden entsteht zwar ein Zusammenspiel wie zwischen den Instrumenten einer herkömmlichen Kapelle, aber doch ganz anders, zumindest wesentlich visueller. Dieses Projekt funktioniert so recht zwar nur live, aber so wie dabei eben Bilder entstehen, kommen halt auch Songs zustande. Die Bilder kann man ausstellen, die Songs auf Platte pressen. Und auch wenn die Ausstellungseröffnung beschallt wird oder der CD „Unschuldsengel“ ein Booklet mit Farbreproduktionen beiliegt, ist das halt nicht dasselbe. Ihre Auftritte wie diese Record Release Party sind also eher Pflicht als die manchmal etwas gewollt klingende CD, die in ihrer harschen Derbheit zwar fasziniert, aber über all den Ecken und Kanten zu oft vergißt, daß Musik selbst auch Bilder im Kopf malen sollte.
Am 29.10. um 22 Uhr im Tacheles, Oranienburger Straße 53-56
Das Schöne an Ska-Bands ist zum einen, daß man oft schon am Namen erkennt, daß man es mit einer zu tun hat, und daß sie sich – notgedrungen durch die Beschränkungen des Genres – meist ziemlich gleich anhören. Jedenfalls die, die sich der Tradition verhaftet fühlen, so wie auch Skarface. Die sind die Besten ihres Fachs in Frankreich, was sie vor allem ihren satten Bläsersätzen verdanken. Ansonsten geht es wie üblich schnell und off-beatig geradeaus, die Filzhütchen gewedelt, und die Stimmung ist garantiert.
Am 30.10. um 22 Uhr im K.O.B.
Wie sich die Zeiten ändern: Auf dem tätowierten Rücken von Henry Rollins heißt es zwar noch heute „Search and Destroy“, aber das haben die New Bomb Turks ganz jugendlich forsch-fröhlich schon mit dem Titel ihrer ersten LP in ein lustvolles „!!Destroy- Oh-Boy!!“ umgedichtet. Auch wenn man es längst nicht mehr hören kann, hier reimt sich noch Bier auf Spaßhaben, werden oberdoofe Witze gerissen („Born Toulouse-Lautrec“) und ansonsten geprügelt, was die Gitarren aushalten. In diesem Zusammenhang darf natürlich das Label nicht unerwähnt bleiben. Es heißt Crypt, und dieser Name bürgt für Qualität, wenn man es denn so nennen will: altmodisch und schnell, schlecht produzierte Misthaufen mit uneinlösbarem Ewigkeitsanspruch. Mit dabei dann auch die Firmenkollegen Devil Dogs, die ihre juvenile Schlappjeansphase überwunden haben, sich schnieke Anzüge und Sonnenbrillen extra-dark gekauft haben. Auch textlich hat man sich weiterentwickelt: Von „Gimme That Girl“ und „Go On Girl“ zu „Sweet Like Wine“ und „Dance With You Baby“. Das Thema ist dasselbe geblieben, die Herangehensweise aber nun wesentlich hintergründiger: „I Don't Believe You.“ Musikalisch hat sich durch die ersten längeren Beziehungskisten aber anscheinend nichts Wesentliches geändert. Immer noch spielen die Devil Dogs ihren extrem reduzierten, bläserlosen Rhythm & Blues so schnell, daß der jeden Moment über die eigenen Füße stolpert. Big Fuckin Lärm, definitly.
Am 31.10. um 21 Uhr mit Soil (Berlin) im Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg
Die erste Aufregung um deutschen HipHop hat sich mittlerweile gelegt, also kann man an die nächsten Acts recht entspannt herangehen. Als da wären: Mastino aus Hamburg, die eher aus intellektuellen Gründen das Genre gewählt zu haben scheinen. Sechs schon ältere Männer, die in schweren Zeiten die richtige Musik machen und vor allem genug Platz für Texte lassen wollten. Ihr HipHop lappt denn auch öfters in Rockstrukturen hinüber, mal von der Melodieführung, mal durch die Gitarren, mal durch die Industrial-Samples. Die Raps sind wenig elegant, aber die Holprigkeit gibt den derben Worten zur Lage der Nation den passenden Rahmen. Eher den entgegengesetzten Entwurf repräsentieren die Makoma Kids. Die sechs Geschwister aus Zaire von 11 bis 20 Jahren (wenn's denn stimmt) versuchen sich ganz in der Tradition der Musikantenfamile, die einem da sofort in den Sinn kommt, nahezu an der gesamten Bandbreite von Dancefloor. Soul-Turnereien, Gangsta-Rap-Versuche und zeitgemäßer Schmelz werden live mit einer ausgefuchsten Bühnenshow inklusive Balletteinlagen dargeboten.
Am 31.10. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Einstmals war Maria McKee Leadsängerin von Lone Justice, einer der umworbensten und am derbesten geflopptesten Bands in der Geschichte der Major-Labels. Angeworben, um Profit und den amerikanischen Country-Rock zu retten, splittete man schon nach zwei Platten mit nur halbgarem Erfolg. McKee wohnt inzwischen in Dublin, arbeitet weiter in Los Angeles, läßt sich für ihr Cover von Dennis Hopper fotografieren und huldigt gleich mit zwei Coverversionen ihrem großen Vorbild Van Morrison. Dessen Intensität kann sie schon aufgrund ihres immer noch recht jugendlichen Alters nicht erreichen, auch wenn sie die stimmlichen Fähigkeiten hat. Allerdings poltert ihre Studioband auf der aktuellen LP zu oft recht unsensibel daher. Da war ihr selbstbetiteltes Solo-Debüt näher am Irish Soul, den sie in ihrer Wahlheimat Irland zu finden hofft.
Am 2.11. um 20.30 Uhr im Loft
Jenseits seines zugegebenermaßen wunderhübsch glockenhellen Saxophonspiels hat Klaus Kreuzeder vor allem eine hervorstechende Eigenschaft: Seine Geschäftstüchtigkeit sucht im Jazz- Elfenbeinturm ihresgleichen. Noch heute benutzt Kreuzeder für seine Projekt Sax As Sax Can, das er zusammen mit dem Gitarristen Henry Sincigno bestreitet, ein Promo-Foto, das ihn auf der Bühne mit Stevie Wonder bei einem gemeinsamen Konzert 1984 zeigt. Daß sein Saxophon nicht gerade dringlichst auf der Suche nach Innovation oder gar unangebrachten Tönen ist, sollte man ihm dann auch verzeihen, denn besseres Jazzotainment dürfte hierzulande schwer zu finden sein.
Am 4.11. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg Thomas Winkler
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