Das fünfte Rad der Prüfungsrunde

■ LehramtsstudentInnen kritisieren das staatliche Prüfungsamt

„Es fehlt einfach überall an Transparenz.“ Für die Referendarin Sabine Matzak wird Prüfungsangst bei Lehramtsstudierenden nicht zuletzt durch die schwer durchschaubaren Anforderungen des Wissenschaftlichen Landesprüfungsamts (WPLA) erzeugt, das die Rechtsaufsicht über die Prüfungen führt. Probleme gibt es oft bei den Wahlgebieten, die in der Regel mit einem Professor abgesprochen wurden. Oft würden diese vom Amt auf undurchschaubare Weise geändert, hat Sabine Matzak erfahren, die an der Gründung einer „Kontaktkartei“ für Betroffene mitgewirkt hat.

Der Prüfungskommission gehört neben dem vom Studenten gewählten Hochschullehrer ein Schulprüfer und ein weiterer, vom Prüfungsamt benannter Hochschullehrer an. Den Vorsitz der Kommission hat der zuständige Referent des WLPA, der während der mündlichen Prüfungen Fragen stellen darf und bei Stimmengleichheit den Ausschlag bei der Benotung gibt. Diese Regelung wird sowohl von Studenten als auch von Professoren kritisiert. Nach ihrer ersten Prüfung in Erziehungswissenschaft meint die Studentin Ilona Schneider*: „Ich hatte den Eindruck, daß der Staatsprüfer auf dem Forschungsstand von vor 20 Jahren stehengeblieben ist.“ Während die Hochschullehrer ein wissenschaftliches Gespräch suchen, geht es den Staatsprüfern um unterrichtsrelevantes Allgemeinwissen. Das jedoch wird an der Universität kaum vermittelt. „Der Prüfer weiß nicht, was im Studium inhaltlich passiert ist, hat vielleicht andere Vorstellungen und bringt die Studenten damit oft aus der Fassung“, erklärt Brigitte Reich von der Landesgeschäftsstelle der GEW.

Auch der Professor für Erziehungswissenschaft Klaus Riedel kritisiert, daß die Staatsprüfer „der Uni doch sehr fern stehen“. Gleichzeitig haben sich viele dieser ehemaligen Lehrer längst vom Schulalltag entfernt. „Die stehen zwischen Theorie und Praxis und sind in keinem von beidem richtig verankert“, meint Brigitte Reich. Studenten, die sich ungerecht behandelt oder benotet fühlen, bleibt kein anderer Weg als der zum Verwaltungsgericht. Die Rolle des Prüfungsamts erscheint zur Zeit auch deshalb problematisch, weil seine Mitarbeiter überlastet sind. „Wir sind in Bedrängnis“, sagt Peter Gocht, der Leiter des WLPA. Immer schwerer fällt es dem Amt, Klausuren und mündliche Prüfungen noch innerhalb der vorgesehenen Fristen von vier bis sechs Monaten durchzuführen. Denn während das Prüfungsamt seit Jahren 19 Referenten und zwölf Sachbearbeiter beschäftigt, hat sich die Zahl der Kandidaten seit 1991 fast verdoppelt: 1.855 Studenten haben sich bis Oktober dieses Jahres zur Prüfung angemeldet, im Oktober 1991 waren es nur 918. Obendrein betreut das Prüfungsamt auch die ergänzenden Staatsprüfungen für Lehrer aus dem Ostteil. „Da liegen uns Hunderte von Meldungen vor“, sagt Peter Gocht.

Die Prüfungspraxis in Berlin ist seit ihrer Verschärfung 1973, die eine befürchtete Unterwanderung der Schulen mit Linken verhindern sollte, heftig umstritten. Traditionell hatten die Staatsprüfer nur die formelle Rechtsaufsicht, mischten sich also nicht aktiv ins Prüfungsgeschehen ein. Auf die bloße Durchführung der Prüfungen beschränkt man sich auch heute noch in anderen Bundesländern, etwa in Nordrhein-Westfalen.

In Berlin scheiterte 1990 eine Änderung des Lehrerbildungsgesetzes, der die Rolle des WLPA einschränken wollte, am Zerfall der rot-grünen Koalition. Jetzt bereitet die schulpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Grüne, Sybille Volkholz, einen ähnlichen Antrag vor. Miriam Hoffmeyer

* Name von der Redaktion geändert