Neurosengarten

■ Britische Orangen bei 3sat, 22.55 Uhr

Sie wandelte auf den Pfaden des Herrn und fand die Frauen: Jeanette Winterston. Als sie mit 25 Jahren ihren weitgehend autobiographischen Roman „Orangen sind nicht die einzige Frucht“ veröffentlichte, wurde sie damit zur Femme terrible der Londoner Literaturszene. Die dreiteilige Verfilmung der BBC aus dem Jahre 1990 zeigt 3sat jetzt im Original mit Untertiteln.

Hier die Story: In den sechziger Jahren wächst die kleine Jess in einer Gemeinde charismatischer Evangelisten im englischen Nordwesten auf. Ihre Stiefmutter, eine missionarisch-verkniffene Überzeugungstäterin, schließt das Mädchen von der bösen Welt und ihren Versuchungen aus. Jess, das bubenhafte Wesen, findet so zunächst kindlichen Halt, spielt sich bei der Einschulung altklug mit Bibelzitaten auf. Statt mit anderen Kindern freundet sie sich nur mit der kauzigen alten Elsie und der Leichenbalsamiererin Cissy an. Mit 16 kommt der magische Moment: Sie verliebt sich in die Fischverkäuferin Melanie. Darauf reagiert die Sekte mit Exorzismus. Jess scheint zu resignieren und wird als gerettete Seele vorgeführt – bis sie die gleichaltrige Katy trifft. Schließlich findet sie endlich die Kraft, sich aus der bigotten Seelengruft zu befreien.

Jeanette Winterson, die 1990 auch das Drehbuch bearbeitete, gelang eine subtil-schwarze Seelenkomödie. Sie bearbeitete mit sanfter Hand einen skurrilen Kleingarten, worin die Mimosen und Neurosen still und leise der Sonne zuwachsen. Regisseurin Beeban Kidron, die 1992 den Hollywood-Schmachtfetzen „Die Herbstzeitlosen“ drehte, hielt sich hier zurück und vertieft sich in den 165 Filmminuten ganz in den bedächtigen Rhythmus der Erzählung. Dieter Deul

Teil 2 am 5.11., Teil 3 am 12.11.