piwik no script img

Schamlos, faul und geldgierig

■ Zwischenbilanz: Zwei Jahre DVU in der Bürgerschaft / Dokumentation einer Studie im Auftrag der Grünen in der Bürgerschaft

Der Schock war groß, als die DVU im September 1991 als Fraktion mit sechs Abgeordneten in die Bremische Bürgerschaft, das Parlament des Landes Bremen, einzog. Jetzt, gut zwei Jahre danach, ist die Aufregung längst verklungen. Der rechte Rand der Bürgerschaft wird nicht mehr als unmittelbare Bedrohung ernstgenommen. Die DVU – inzwischen nur noch halb so stark und nur noch Gruppe – ist offenbar so weit demontiert, daß ein großer Teil des Parlaments und der Medien eine Auseinandersetzung nicht mehr für dringend hält.

Die Bedrohung sackt in der Wahrnehmung eine Etage tiefer – und nimmt weniger faßbare Formen an. Einerseits scheinen DVU und Co kein Thema mehr zu sein, andererseits wird aber immer noch das Potential beschworen, das die DVU gewählt hat und (vielleicht) wieder wähln würde. An diese Menschen müsse man herankommen / dieser Satz gehört zum Standardrepertoire der Bremer Politiker. Und er ist vorzugsweise verbunden mit der Bemerkung, daß man die Ängste dieser Wählerschichten ganz ernst nehmen müsse. Jetzt sei es an der Zeit, in den Stadtteilen mit hohem DVU- Wähleranteil aktiv zu werden usw. usf. Nur passiert ist in dieser Richtung wenig. Auch wenn die Absichtserklärung zum politischen Gemeingut geworden ist – keine politische Gruppierung hat in den vergangenen beiden Jahren diese Arbeit zu ihrem Schwerpunkt gemacht.

Politik ist in der Defensive, das Unbehagen am Politischen wächst mit dem Gefühl, die Brände der neunziger Jahre könnten nicht mit dem dicken Wasserstrahl aus der Konjunkturpumpe der achtziger Jahre gelöscht werden. „Gespaltene Diskurse“ hat ein Beobachter schon vor sechs Jahren anläßlich des Republikaner-Erfolges bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus diagnostiziert. Öffentliche Meinung der Straße und veröffentlichte Meinung der Medien und politischen Institutionen klaffen seit Jahren auseinander. In Zeiten populärer und bisweilen wohlfeiler Politikerschelte ducken sich Demokraten häufig weg. Die Sehnsucht nach „Klartext“ wird nach wie vor von der politischen Rechten bedient.

Die DVU hat in der Bremischen Bürgerschaft einen Skandal nach dem anderen produziert; es ist aber keinwegs sicher, daß dies erkennbare Auswirkungen auf die Kreise hatte, die der DVU 1991 ihre Stimme gegeben haben. Keine Partei in der bremischen Geschichte hat sich so schamlos selbst bedient wie die DVU; keine war so stinkfaul; keine hat sich so um jede Sacharbeit herumgedrückt; keine hat ihre Parlamentsarbeit so auf gemeine und gehässige Hetzreden reduziert; und keine hat sich in so rasender Geschwindigkeit selbst dezimiert. Und trotzdem ergibt eine kleine Umfrage quer durch alle politischen Lager dasselbe Bild: Alle gehen davon aus, daß sich das rechte Wählerpotential eher stabilisiert hat. Und wenn es nicht die DVU ist, die die Stimmen beim nächstenmal abfischt, dann ist es eben eine andere Gruppierung. Der Zusammenhang zwischen Wahlentscheidung für die DVU (oder andere Rechte) und der Tätigkeit der Gewählten ist offensichtlich loser als bei anderen Parteien.

Dennoch ist es dringend notwendig, die Arbeit der DVU zu analysieren und öffentlich zu bewerten. Zwei Jahre sitzt die DVU jetzt in der Bremischen Bürgerschaft – an den Grundzügen der Bewertung vor Jahresfrist hat sich nichts geändert. Der Befund hat im nachhinein noch einmal nachdrücklich Bestätigung erfahren, vieles ist noch deutlicher geworden. Insbesondere der Umgang mit Fraktions- bzw. Gruppenzuschüssen dokumentiert, daß die DVU nach wie vor mit normaler parlamentarischer Arbeit nichts im Sinn hat. Dieser Umgang ist keineswegs ein Verkehrsunfall unerfahrener politischer Kräfte. Er hat Methode: Die DVU hat alles getan, Fraktionsgelder jenseits der Zweckbestimmung zu verwenden. Und dort, wo sie erwischt wurde, hat sie entweder erst nach langem Widerstand nachgegeben, dann aber wieder Mittel und Wege gefunden, an der Legalität vorbei zu operieren. Oder sie hat versucht, alle parlamentarischen Spielregeln auszuhebeln. Mißbrauch des Parlaments ist der Kern des politischen Handelns der DVU. Und deshalb müssen diese Affären die Öffentlichkeit noch lange interessieren.

Schamlose Selbstbedienung

Die DVU und das Geld

Die DVU ist die geldgierigste Fraktion, die die Bremische Bürgerschaft je gesehen hat. Im vergangenen Jahr gab es dafür erst etliche Indizien; heute kann dieser Satz als bewiesen gelten. Es ist kein Zufall, daß der Bremische Rechnungshof immer noch keinen Einblick in die Bücher der DVU erhalten hat. Viermal hat der Rechnungshofpräsident Hartwin Meyer-Arndt den Blick in die Bücher angemahnt, sowohl beim Münchner Blohm-Anwalt Manfred Roemer als auch bei der Bürgerschafts-Gruppe der DVU selbst. Kein einziges Mal hat er bislang eine Antwort bekommen. Einmal hatte er bei Roemer telefonisch nachgehakt, woraufhin der sich beschwerte, der Rechnungshof wäre mit der DVU besonders streng. „Kein Problem, natürlich kann geprüft werden“, sagte Roemer dann gegenüber der „taz“. Und Marion Blohm wetterte in der September-Sitzung der Bürgerschaft, es sei eine Lüge, daß der Rechnungshof nicht prüfen könne. Die Frist, die Meyer-Arndt dann bis Mitte Oktober setzte, ist jedoch wiederum verstrichen.

Vor nichts scheint die DVU mehr Angst zu haben, als vor dieser Prüfung. Aus gutem Grund, denn sie hat genug zu verbergen.

Politisches Schmiergeld

Die Konflikte um die Fraktionsfinanzen begannen schon kurz nach der Wahl: Auf der einen Seite stand Karl-Heinz Vorsatz, auf der anderen der Parteivorstand im fernen München und dessen Vertraute Marion Blohm und Hans-Otto Weidenbach. Der Streit zwischen parlamentarischer Arbeit und Fundamentalopposition, die das Parlament nur benutzt. Vorsatz wollte, daß die Fraktion ein Büro eröffnet, Mitarbeiter einstellt, kurz: Einen Apparat aufbaut, mit dem sie sich in die politische Sachauseinandersetzung begeben konnte. Das genau wollten der Parteivorsitzende Frey, die Fraktionsvorsitzende Blohm und Weidenbach verhindern.

Die Entscheidung fiel in der Fraktionssitzung am 30. Januar 1992. Mit der kompletten Fraktion tagte der Parteivorsitzende Frey und der Fraktionsgeschäftsführer Eggers / ebenfalls aus München. Punkt eins der Tagesordnung war die Bürofrage. Marion Blohm argumentierte heftig gegen die Eröffnung einer Geschäftsstelle: „Der Arbeitsaufwand sei nicht so hoch, daß ein täglicher Geschäftsbetrieb erforderlich sei“, vermerkt das Protokoll. Außerdem gebe sie „die Sicherheitslage“ zu bedenken. Jeder Abgeordnete könne einen Arbeitsplatz einrichten, dazu könne die Fraktion Gelder geben. Schließlich gebe es auch noch die Möglichkeit für jeden Abgeordneten, für Büroausstattung bei der Bürgerschaft Mittel nach 37a des Bremischen Abgeordnetengesetzes zu beantragen.

„Herr Vorsatz entgegnet, daß der Arbeitsaufwand enorm sei“, heißt es im Protokoll weiter. Für ihn sei das eine Grundsatzentscheidung. Ohne Sachkenntnis könne man nicht im Parlament arbeiten. Dann ergriff der Parteivorsitzende persönlich das Wort. Das Protokoll: „Herr Dr. Frey teilt die Ausführungen der Vorsitzenden. Auch nach seiner Ansicht könne ein 'Riesen-Apparat' nicht sinnvoll sein. (...) Außerdem sei die Fraktion gut beraten, wenn sie in puncto Aufwendungen nicht Repräsentation, sondern das wirklich Notwendige in den Vordergrund stellen würde. Die DVU-Fraktion sollte durchaus demonstrativ zeigen, daß sie anders sei als die Etablierten.“

Wie anders als alle anderen die DVU ist, zeigt sich in dem gefaßten Beschluß. Erstens: „Ein Zentralbüro der Fraktion wird grundsätzlich abgelehnt.“ (Gegenstimme von Karl-Heinz Vorsatz) Zweitens, auf Antrag des Fraktionsgeschäftsführers: „Gewährt wird ein Sicherheitszuschlag von 20 Prozent der Diäten ab 1. 2. 1992 an jedes Fraktionsmitglied.“ Drittens: „Ab 1. 4. 1992 erhalten die Mitglieder der DVU-Fraktion, unter der Voraussetzung, daß alle Möglichkeiten über die Bürgerschaft ausgeschöpft wurden, bis zu DM 1.500,- monatlich als Zuschuß für ihre Fraktionsarbeit. Über die Verwendung der Zuschuß-Mittel ist abzurechnen.“

Alle drei Abstimmungen fielen unter einen einzigen Tagesordnungspunkt. Das war kein Zufall. Was der überstimmte Karl-Heinz Vorsatz nicht wußte, das war der perfide eingefädelte Zusammenhang zwischen Fraktionsbüro und Sicherheitszuschlag. Vor der Sitzung hatte Frey nämlich alle Fraktionsmitglieder ins Intercity-Restaurant eingeladen – alle außer Vorsatz. Und dort wurde den Parlamentariern ein Handel vorgeschlagen: Wenn sie gegen den hartnäckigen Vorsatz stimmten, dann bekämen sie als Bonbon den Sicherheitszuschlag, und das waren genau 807 Mark und 40 Pfennige, Monat für Monat. Den passenden Antrag dazu hatte der Frey-Statthalter Eggers schon in der Tasche. Der Handel klappte, die Abstimmung endete 4:1.

Vorsatz war in der Fraktion erfolgreich isoliert worden. Sein weiteres Schicksal ist bekannt. Er wollte sich nicht mit seiner Niederlage abfinden und geriet immer tiefer in den Konflikt mit seiner Fraktion, vor allem mit Marion Blohm und seinem ehemaligen Weggefährten aus der NPD, Hans-Otto Weidenbach. Zu allen politischen Differenzen warf Vorsatz Weidenbach Verrrat vor: Der sei nur noch pro forma NPD- Landesvorsitzender und in Wahrheit schon Handlanger Freys. Dabei hatte Vorsatz mit dem Bündnis DVU/NPD seinen Traum von der vereinigten Rechten verwirklicht gesehen. „Wie Geld doch korrumpieren kann“, war der Vorsatz-Kommentar zu Weidenbach gewesen. Viele alte „Kameraden“ aus der NPD hatten sich gewundert: Weidenbach war die Wohnung gekündigt worden, weil sie verkauft werden sollte, und plötzlich konnte der arbeitslose und finanziell klamme Weidenbach seine Wohnung kaufen.

In der Auseinandersetzung um das Fraktionsbüro wurde Weidenbach zum größten Widersacher Vorsatz. In der Fraktionssitzung vom 9. 4. 92 schwingt sich Weidenbach zu einer Suade auf: „Herr Vorsatz habe wiederholt gegen die Fraktionsdisziplin gehandelt und sich darüberhinaus unkameradschaftlich verhalten. Er (Weidenbach J.G.) habe den Eindruck, Herr Vorsatz stelle persönliche Interessen vor die Anliegen der DVU-Fraktion. Die Fraktion habe vor allem wegen des 'Dauerbrenners Geschäftsstelle' einen Beschluß gefaßt, der für alle bindend sei.“ Protokollant war wie immer Hans-Otto Weidenbach.

Am Ende verließ Vorsatz den Plenarsaal der Bürgerschaft, sobald Weidenbach ans Rednerpult ging, und umgekehrt. Aber da hatte die Fraktion schon im Mai Vorsatz schriftlich das Mißtrauen ausgesprochen und ihm den Vorsitz der Stadtbürgerschaftsfraktion entzogen. Nach einer Herzattacke im Plenum starb Vorsatz im September 1992.

Der öffentliche und politische Druck auf die DVU war zu dieser Zeit größer geworden. Das fehlende Fraktionsbüro war Gegenstand öffentlicher Debatte wie das Erschleichen einer Sozialwohnung durch den Abgeordneten Nennstiel.

Dazu kam eine Affäre um Anzeigen in den Frey-Blättern „Deutsche Wochenzeitung“ und „National-Zeitung“ während des Wahlkampfes in Schleswig-Holstein. Die Grünen hatten aufgedeckt, daß diese Anzeigen aus Fraktionsmitteln bezahlt und bundesweit geschaltet waren. Das war illegal. Die DVU reagierte erst, als ihr von der Bürgerschaftsverwaltung die Fraktionsmittel gesperrt wurden. Am Ende mußten die Ausgaben für die Annoncen zurückgezahlt werden, und die DVU-Fraktion eröffnete ein Büro – der Form halber.

Erosionen

Die DVU zerbröckelt

Das zweite Jahr im Parlament beendet die DVU mit einem personellen Aderlass ohnegleichen. 1991 ist sie mit sechs Abgeordneten gestartet, nach den Austritten von Hans Altermann schon kurz nach der Wahl, Peter Nennstiel im Januar 1993 und Mitte Oktober 1993 Klaus Blome hat sich die DVU halbiert. Alle drei Ausgetretenen haben sich mittlerweile der National-Konservativen Gruppe (NK) angeschlossen. Die NK stand einige Zeit der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ des ehemaligen Republikaner- Europaparlamentariers Harald Neubauer nahe. Auch Hans Altermann tauchte in den Liga- Publikationen auf; doch mittlerweile ist dieser Kontakt abgerissen. Altermann ist im Juli 1993 aus der Liga ausgetreten.

Hans Altermann hatte nach vier Jahren Einzelkämpferdasein in der Bürgerschaft fest damit gerechnet, Fraktionsvorsitzender zu werden, und sah sich plötzlich durch ein geschickt eingefädeltes

Fortsetzung S. 38

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen