: Vom Winde gedreht
■ Heute wird eine Windkraftanlage bei Angemünde eingeweiht, die 350 Tonnen Kohlendioxid vermeiden soll / Strom wird noch immer nicht angemessen bezahlt
Eine Windkraftanlage wird heute mittag in Frauenhagen im Kreis Angermünde in Betrieb genommen. 350.000 bis 400.000 Kilowattstunden sollen pro Jahr gewonnen werden. Genutzt wird dafür ein Rotor mit einem Durchmesser von 31 Metern. „Dieser Ertrag entspricht etwa dem Stromverbrauch von Frauenhagen“ mit seinen 340 Einwohnern, erklärt die private Betreibergesellschaft. Und für Skeptiker, denen dieses Ergebnis zu gering ist, wird auch gleich der ökologische Nutzen mitgeliefert: „Die Umwelt wird von jährlich zirka 350 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen entlastet.“
Die Anlage, die um 14 Uhr nicht weit von Berlin in Betrieb genommen wird, soll auch zeigen, daß Strom durch Nutzung der Windkraft durchaus wirtschaftlich erzeugt werden kann und daß das keineswegs nur an stürmischen Küstenregionen möglich ist. „Die Anlage ist hervorragend für Gebiete mit geringen Windgeschwindigkeiten geeignet“, lobt Detlef Loy, einer der zehn Gesellschafter. Diese Einzelpersonen, die sich erst im letzten Jahr zur Windkraft Frauenhagen GbR zusammenschlossen, rechnen nach eigenen Angaben bereits in zehn Jahren mit Gewinnen.
Noch sind Vorreiter von Zuschüssen abhängig
Noch hängt die Möglichkeit der Refinanzierung jedoch erheblich von den Zuschüssen der öffentlichen Hand ab: Etwa die Hälfte der 700.000 Mark, die für die Frauenhagener Anlage bezahlt werden mußten, zahlt das Umweltministerium des Landes Brandenburg. Diese Summe war für das konkrete Projekt zwar unerläßlich, doch kritisieren die Befürworter regenerativer Energien, daß der Betrag, der bundesweit für Solarstrom und Windenergie bereitgestellt werde, noch immer ein Bruchteil dessen ist, was die öffentliche Hand für die Weiterentwicklung von Atomreaktoren investiert. Nach wie vor spiele der umweltschonend gewonnene Strom eine Alibi-Rolle. Zudem könnte Strom auch ohne Fördermittel rentabel mit Windkraft erzeugt werden, wenn dieser zu angemessenen Preisen von den Energie-Versorgungsunternehmen abgenommen würde.
Vorbildlich wird das jetzt in Aachen praktiziert: Dort hat sich der Rat der Stadt auf Empfehlung seines Umwelt- und Hauptausschusses für eine „kostengerechte Vergütung“ entschieden. Der Oberstadtdirektor wurde beauftragt, diesen Beschluß schnellstmöglich umzusetzen. Seine Versorgungsunternehmen zahlen den Betreibern 30 Pfennig pro eingespeister Kilowattstunde Windstrom – mehr als dem Verbraucher abgenommen wird. Durch Preiserhöhungen sollen diese Mehrkosten auf alle Stromkunden umgelegt werden. Für Solarstrom beträgt die Einspeisevergütung sogar zwei Mark pro Kilowattstunde, da die Leistungsfähigkeit der Photovoltaikanlagen trotz hoher Investitionssummen niedriger liegt.
Es soll attraktiv werden, die Umwelt zu schonen
Durch den Beschluß soll der Betrieb umweltschonender Winkraft- und Solaranlagen attraktiver werden. Dazu könne jeder Bürger etwas beitragen, so Wolf von Fabeck, Geschäftsführer des Aachener Solarenergie-Fördervereins. Der Verein hält Bürgeranträge auf kostengerechte Vergütung bereit, damit auch in anderen Städten vergleichbare Beschlüsse initiiert und gefaßt werden können. In Frauenhagen gibt es einen solchen noch nicht, und so erhalten die Betreiber nur 16,57 Pfennig pro Kilowattstunde von der Oder-Spree- Energieversorgung (OSE).
Gebaut wurde der 40 Meter hohe Turm mit dem beinahe ebenso großen Rotor von der Berliner Firma Südwind. Das Unternehmen liefert bereits vergleichbare Anlagen an die Küste Mecklenburg-Vorpommerns, wo die Betreiber vom Berliner Verein „Aktiv gegen Strahlung“ finanziell unterstützt werden, Motto: „Global denken, lokal handeln“. Die Firma Südwind entstand vor rund zehn Jahren aus einer Forschungsgruppe im Bereich Hubschrauber- Technologie am Institut für Luft- und Raumfahrttechnik.
Die Erfahrungen der Firma widersprechen der Befürchtung, daß sich die Bewohner in der Nähe von Windkraftanlagen gestört fühlen. Gerade an der Küste oder an exponierten Plätzen wie dem Erzgebirge oder dem Harz hatten die Ansässigen Einbußen durch ausbleibenden Tourismus befürchtet. Gezeigt hat sich aber, daß sich die Anlagen zu regelrechten Publikumsmagneten entwickelt haben. Verstärkt werde dieser Effekt, wenn informative Ausstellungen Teil der Anlage seien.
Die Touristen werden regelrecht angelockt
In Frauenhagen soll die Bevölkerung schon bei der Eröffnung sehen, daß der Turm auch für sie Grund zur Freude bedeutet: Mit einem großen Festakt, einer Tombola und abendlichem Laternenumzug wird die Windkraftanlage heute eingeweiht, dazu wird auch der parteilose Umweltminister des Landes Brandenburg, Matthias Platzeck, erwartet. Und ausdrücklich wurden im Kreis Angermünde alle Interessierten mit der ganzen Familie eingeladen. Nicht nur die Kinder soll ein großes Drachensteigen von der ungeheuren Kraft des Windes überzeugen. Ein Drachenballett um 15 Uhr könnte demonstrieren, daß diese Energie durchaus gesteuert nutzbar gemacht werden kann. Christian Arns
Bürgeranträge zur kostengerechten Vergütung von Strom aus erneuerbaren Energien gibt es beim Solarenergie-Förderverein Aachen e.V., c/o Wolf von Fabeck, Walhornstraße 9, 52070 Aachen
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