Berlin 2000: Öfen statt Olympia

■ Skepsis, ob die Stadt in sechs Jahren ofenfrei wird / Die feinen Damen wollen sich nicht schmutzig machen

Die Ankündigung des Senats wird nicht gerade ernst genommen: In gut sechs Jahren dürfe keine Ofenheizung innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings mehr befeuert werden, hieß es Mitte des Monats; bis zum Jahr 2000 soll die Umrüstung auf Gas- und Ölheizungen geschafft sein. Fachleute sind mehr als skeptisch.

Töpfermeister Lothar Peissker lehnt sich gelassen in seinem Bürosessel zurück, obwohl ihn die Nachricht aufschrecken müßte. „Das schaffen die nie“, ist sich der Ofenaufsteller und -reparateur im Wedding sicher, „in der kurzen Zeit können unmöglich Tausende Heizungen installiert werden.“ Ankündigungen wie die neuerliche habe es schon oft gegeben, „und die Öfen gibt es immer noch“.

Erhebliche Widerstände der Mieter erwartet

Allesbrenner könnte es auch weiter geben, selbst wenn der Plan wirklich Gesetz wird. Denn verboten werden soll nur das Verbrennen von Kohle und Briketts, Holz könnte weiter benutzt werden. In Kachelöfen nutze dies allein allerdings nichts, so Peissker. Zwar erzeuge Holz große Flammen, wie dies in einem Kachelofen wichtig sei; nur durch die Briketts würde jedoch die hohe Temperatur erreicht, mit der sich die Kacheln ausreichend aufheizten, um lange Zeit die gewünschte Wärme abgeben zu können.

Trotzdem werde es keine massenhaften Umrüstungen geben, ist er sich sicher. Finanziell sei der Senatsplan überhaupt nicht zu verwirklichen, winkt Peissker ab. 8.000 bis 10.000 Mark schätzt die Umweltverwaltung die durchschnittlichen Kosten selbst ein. Bis zu 5.000 Mark können Antragsteller höchstens vom Land dazubekommen. „Doch selbst bei Höchstförderung können sich viele Vermieter die Umrüstung bei vielleicht 30 Wohnungen nicht leisten“, hat Peissker bei zahlreichen Gesprächen mit seinen Auftraggebern erfahren.

Zudem erwartet er erhebliche Widerstände von den Mietern: Schließlich würden Vermieter ihre Kosten auf die Bewohner umlegen, die ihre Miete oftmals jetzt schon kaum zahlen könnten. Und trotz der Mühen des Kohle-Schleppens weiß Peissker von vielen, daß sie ihren Kachelofen gar nicht missen wollen: „Eine angenehmere Luft gibt es gar nicht“, schwärmt der Töpfermeister, es sei eine sehr wohlige Wärme.

Die Erfahrungen des Wärmesystem-Herstellers Herrmann im westfälischen Schwerte geben dem Weddinger recht. Dieser baut auch weiter Allesbrenner und Kachelöfen, da sie weiter gewünscht würden. Diese seien „in den vergangenen Jahren von Umweltschützern versehentlich verpönt“ worden, so die offizielle Kunden-Beruhigung: „Die Wahrheit ist, daß eine effiziente Verbrennung von Holz weniger Kohlendioxid abgibt als die natürliche Vermoderung.“

Doch die Kritik macht Adolf Mehring, Leiter des Referats Luftreinhaltung der Umweltverwaltung, ohnehin am Schwefeldioxid fest, das bei der Verbrennung von Kohle entstehe. „Unsere Kessel werden ausschließlich mit Holz befeuert“, erklärt ein Energieberater der Berliner Herrmann-Niederlassung. Auch für Kachelöfen reiche das durchaus, widerspricht er dem Weddinger Töpfermeister: „Selbstverständlich reicht die Hitze. Bei einer Nennwärmeleistung von 15 Kilowatt können sie mit einem solchen Ofen ein ganzes Haus beheizen.“

Müllverbrennung erzeugt auch im Mietshaus Krebs

Deutliche Kritik übte Referatsleiter Mehring auch an den Mietern. Da von einigen auch Müll verbrannt werde, werde die Luft erheblich durch krebserregende Stoffe vergiftet. Ähnliche Erfahrungen hat auch Ofenspezialist Peissker gemacht: „Manche Leute verbrennen zum Beispiel alte Bahnschwellen, die natürlich mit Imprägnierungsmitteln und allen möglichen anderen Chemikalien getränkt sind. Der ganze Dreck geht dann durch den Schornstein.“ Das gleiche gelte für alte Möbel, die ebenfalls oft verfeuert würden.

Daß Umweltschutz die Motivation für die Senatspläne ist, glaubt Charlotte Peissker ohnehin nicht, das hänge nur mit dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin zusammen. Sie geht davon aus, daß vor allem der Stadtbezirk Mitte von Öfen gesäubert und so „den hohen Herren aus Bonn übergeben“ werden soll. „Die feinen Damen wollen sich doch die Finger nicht schmutzig machen.“ Christian Arns