Inländische Interessen durchsetzen

Heinz Seidel (57), Referatsleiter für alle Arbeitsmarktbeziehungen zum Ausland in der Bundesanstalt für Arbeit, zur restriktiven Arbeitserlaubnis für Ausländer. Ein Interview  ■ Von Bernd Siegler

taz: Seit sechs Monaten praktizieren die Arbeitsämter gemäß einem Erlaß von Bundesarbeitsminister Blüm eine eingeschränkte Erteilung von Arbeitserlaubnissen für Nicht-EG-AusländerInnen. Wird diese Praxis fortgesetzt?

Heinz Seidel: Ja, solange die außerordentlich schwierige Lage am Arbeitsmarkt anhält. Der Blüm- Erlaß war die Reaktion darauf, daß wir bei sich ständig verschlechternder Arbeitsmarktlage eine zunehmende Zahl von Arbeitserlaubnissen hatten, die für erstmalige Beschäftigung an Ausländer erteilt worden sind. Es kann nicht angehen, daß wir einerseits einen schlechter werdenden Arbeitsmarkt haben und andererseits noch zusätzlich Hunderttausende Ausländer zulassen.

In welche Größenordnungen hat sich das denn bewegt?

1992 wurden über 630.000 Arbeitserlaubnisse für erstmalig aufzunehmende Beschäftigung an ausländische Arbeitnehmer erteilt. Das ist eine Zahl, die automatisch Alarmwirkung hat. Diese Zahl von 630.000 ist zwar in weiten Bereichen durchaus erklärbar. Deutlich über 100.000 für Werkvertragsarbeitnehmer, dann erstmalig erteilte Arbeitserlaubnisse für Asylbewerber, beides als Ausdruck der Politik der Bundesregierung.

Der Erlaß kam einen Tag nachdem die „Republikaner“ bei den hessischen Kommunalwahlen 8,3 Prozent abgesahnt hatten ...

... Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Ich möchte nicht auch nur annähernd in die Nähe dieser Kreise gerückt werden.

Für Sie läßt sich der Erlaß also nicht auf die Losung verkürzen: „Deutsche Arbeitsplätze für deutsche Arbeitnehmer“?

Nein, das wäre absolut unsinnig. Wir haben mit über zwei Millionen ausländischen Arbeitnehmern, die hier sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, und mit 340.000 arbeitslosen Ausländern ein Potential, das wir zuerst zu versorgen haben. Dieser Kreis ist mir viel wichtiger als ständig neue ausländische Arbeitnehmer.

Die allgemeine Arbeitserlaubnis für AusländerInnen gilt jetzt nur noch für 12 Monate, danach erfolgt eine regelmäßige Überprüfung. Stellen, die besetzt waren, müssen jetzt für mindestens vier Wochen ausgeschrieben werden. Findet sich kein inländischer Bewerber, wird die Arbeitserlaubnis verlängert. Macht das Sinn?

Genau das ist Sinn der Sache und auch geltendes Recht. Bei einer Fortsetzung der Beschäftigung, soweit es sich um eine Arbeitserlaubnis der allgemeinen Art handelt, die unter Vorrang zu erteilen ist, muß jeweils neu geprüft werden, ob nicht die Beschäftigung durch einen inländisch Bevorrechtigten erfolgen kann.

Mit zunehmender Arbeitslosigkeit werden damit letztendlich Ausländer aus dem Arbeitsmarkt gedrängt.

Das kann es im Einzelfall bedeuten, hat aber bisher bei weitem nicht die Wirkung gehabt.

Wie überprüft Ihre Behörde, ob der Erlaß eingehalten wird?

Wir erwarten von dem deutschen Arbeitgeber, daß er sich inländisch orientiert. Er muß uns mit dem Antrag auf Arbeitserlaubnis einen Vermittlungsauftrag erteilen. Ohne Vermittlungsaufträge gibt es keine Arbeitserlaubnis.

Arbeitgeber kritisieren, daß sie gezwungen würden, Leute zu nehmen, die sie nicht haben wollen.

... Wir zwingen keinen Arbeitgeber, eine bestimmte Person einzustellen, nur, er läuft Gefahr, daß er die Stelle nicht besetzen kann.

Das ist auch eine Form von Druck.

Natürlich, aber der Druck ist auch notwendig, wenn Sie inländische Arbeitmarktinteressen durchsetzen wollen. Wenn Sie das nicht wollen, müssen Sie das Arbeitserlaubnisverfahren komplett abschaffen. Das Arbeitserlaubnisrecht hat eine Steuerungsfunktion. Wenn Sie die wegnehmen, müssen Sie die Grenze aufmachen.

Es geht also darum, den Arbeitsmarkt für inländische Arbeitskräfte offenzuhalten.

Soweit es sich um ausländische Arbeitnehmer handelt, die noch nicht in bevorrechtigte Kategorien abgewandert sind, ja. 90 Prozent aller ausländischen Arbeitnehmer haben ja einen Rechtsanspruch darauf, daß ihnen ohne Prüfung des Arbeitsmarktes eine Arbeitserlaubnis zu erteilen ist.

Bereitet Ihnen denn der Beifall von der falschen Seite Sorgen?

Natürlich, aber wir sehen das als völlig ungerecht an. Ob wir mit vernünftigen Gründen versehene Maßnahmen ergreifen, können wir nicht davon abhängig machen, ob wir dann auch Beifall erhalten, den wir gar nicht wollen.