David und Goliath im Cello-Fernduell

■ Heinrich Schiff und Charles Curtis spielten das 1. Cellokonzert von Schostakowitsch

„Schostakowitsch satt!“ lautete die Parole zweier Abonnementskonzerte, die beide jeweils unter anderem das 1. Cellokonzert von Dmitri Schostakowitsch anboten. Das Hamburger First Class-Orchester des NDR mit dem (noch) unbekannten Haussolisten Charles Curtis am Freitag traf auf ein Newcomer-Orchester (die Deutsche Kammerphilharmonie) mit einem Starsolisten (Heinrich Schiff) am Samstag. Das NDR-Sinfonieorchester hatte - um mit dem Hamburger Tabellenführer zu beginnen - den österreichischen Dirigenten Leopold Hager eingeladen, ein sehr buntes, romantisch getöntes Programm zu leiten. Erstaunlich ist immer wieder die Energie und dynamische Wucht, die das Funkorchester wie aus heiterem Himmel entwickeln kann und so selbst aus solider Konzert-Durchschnittsware ein grandioses Geschenk zaubert. Aus Smetanas Die verkaufte Braut jauchzte die böhmische Tanzlaune, daß es eine Lust war. Hager war in seinem Element, tanzte förmlich.

Mit Promenadenkonzertlaune wartete nun das leicht angeheiterte Publikum auf den Star des Abends: Der NDR-Solocellist Charles Curtis war für das Schostakowitsch-Konzert aufs Podium gestiegen. Mit äußerster Konzentration und kollegialer Unterstützung aus dem Orchester meisterte Curtis das 1959 komponierte Cellokonzert, eine typische Schostakowitsch-Tarnnummer. Hinter einer virtuosen Ausgelassenheit verbergen sich höhnische Grimassen, die den Kritikern aus dem Politbüro eiskalt ins Gesicht glotzen. 1958 sah sich Schostakowitsch erneut (wie '36 und '48) einer kulturpolitischen Hetzkampagne ausgeliefert und konnte nur im Dialekt der Musik antworten.

Der künstlerische Kern, eine Mischung aus Melancholie und tragischer Biographie, entfaltet sich im Mittelsatz Moderato. Curtis ging bis zum Äußersten und genau da übernahm Heinrich Schiff das Ruder, der im Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie auch noch Beethovens 2. Sinfonie leitete. Schiff, der gemütlich aussehende Österreicher kann spielen wie vielleicht nur noch Rostropowitsch und Geringas, voller Leidenschaft und Wärme. Was Curtis in spieltechnischer Brillanz leistete, ergänzte Schiff mit einem erschütternden Maß an künstlerischer Authentizität.

Die aus Bremen angereiste Deutsche Kammerphilharmonie spielte mit überwältigender Kraft und Detailgenauigkeit. Keinen Moment ließ sie beim Zuhörer einen Zweifel darüber aufkommen, daß hier ein Eliteensemble von Weltrang spielt. Bitter nur für die Musiker - der gewohnte Hamburger Wermutstropfen - vor einer gähnend leeren Musikhalle spielen zu müssen.

Sven Ahnert