Nordelbien: Frauen ein, Personal raus

■ Der Kirche laufen die Gläubigen weg / Quotenregelung und Personalabbau

Als erste deutsche evangelisch-lutherische Landeskirche hat Nord-elbien eine Quotenregelung für kirchliche Mitarbeiterinnen beschlossen. Rund 140 Kirchenparlamentarier verabschiedeten am Wochenende bei der Nordelbischen Synode in Hamburg mit großer Zustimmung das „Kirchengesetz zur Förderung der Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Nordelbischen evangelisch-lutherischen Kirche und deren Einrichtungen“. Ob dies jedoch die existenzbedrohende Austrittswelle zu stoppen vermag, ist fraglich: Abwanderung und neue Steuergesetze zwingen der Nordelbischen Kirche zukünftig einen rigorosen Sparkurs auf.

Die Sorge ums liebe Geld regte eine lebhafte Diskussion an. Der Vizepräsident des Kirchenamtes, Gerd Heinrich, plädierte für den Abbau hauptamtlicher Stellen. Die Kirche, die rund 80 Prozent ihres Gesamtetats für Personalkosten ausgibt, müsse die „Gefahr einer Funktionärskirche“ erkennen und „das Laien-Element entschlossen stärken“. Jeder fünfte Pastor in Nordelbien sei bereits nicht mehr in der Gemeinde tätig, sondern im Verwaltungsbereich. Weniger Geld nötige die Kirche, Prioritäten zu setzen und sich auf ihren Auftrag rückzubesinnen.

Wie das in der Praxis aussieht, machte der Kirchenkreis Altona gleich am Sonntag deutlich: Er strich das monatliche Honorar von 750 Mark für seinen Aids-Beauftragten Miguel-Pascal Schaar. Damit wird die Aids-Arbeit in Altona erheblich eingeschränkt. Schaar kritisierte, daß ausgerechnet „bei funktionierenden Arbeitszweigen der Rotstift angesetzt“ würde. Der aktuelle Blut-Skandal zeige, daß „die Kirche in diesem Bereich gefordert“ sei.

Langfristig müsse sich Nordelbien mit rund 18.000 hauptamtlichen Mitarbeitern auf eine „schmalere Basis“ einstellen, sagte der Steuerdezernent des Kirchenamtes, Wichard von Heyden. Mit vermehrten Kirchenaustritten und sinkenden Kirchensteuereinnahmen müsse durchaus gerechnet werden. Während 1992 noch 743 Millionen Mark Kirchensteuern eingenommen wurden, geht das Steuerdezernat 1993 von 703 Millionen Mark aus.

Die Schätzung für 1994 sehe Einnahmen von 695 Millionen Mark vor, daher muß die Kirche auf Geld aus dem Pensionsfonds und auf Rücklagen zurückgreifen. Die Mitgliederzahl in Nordelbien sank von 1977 mit 3,2 Millionen auf 2,5 Millionen 1992. Pro Jahr treten durchschnittlich rund 25.000 Menschen aus, jährlich werden nur noch 26.000 Kinder getauft.

Die von der Synode verabschiedete Quotenregelung sieht vor, daß bei der Neubesetzung von kirchlichen Stellen in Nordelbien Frauen mit gleicher Qualifikation solange bevorzugt werden, bis sie in gleicher Zahl vertreten sind. „Solidarität der Kirchen mit den Frauen, das heißt für uns ganz konkret, daß wir in unserer Kirche Strukturen erkennen und verändern müssen, die Frauen benachteiligen. Wir als Arbeitgeber wollen uns selbst verpflichten, durch Förderpläne für Frauen und eine Quotierung einen Prozeß der Veränderung einzuleiten,“ sagte der Vorsitzende der Kirchenleitung, der Lübecker Bischof Karl Ludwig Kohlwage.

Die Synodalen stimmten außerdem einer neu formulierten Kirchenverfassung zu, die Männer und Frauen sprachlich gleichberechtigt behandelt.

lno/sako