■ Kommentar: Henning ist am Zug
Es gibt – mindestens – zwei Versionen, das Ergebnis des Norderstedter Verhandlungsmarathons zu interpretieren.
Die erste, sie wird manch Rotgrün-Gegner wählen, heißt: Keine Annäherung bei den „Knackpunkten“, die Verhandlungen sind, nicht nur verkehrspolitisch, in der Sackgasse. Ausweg nicht möglich, da zur Lösung der Streitfragen entweder die Kompromißfähigkeit der Grünen überstrapaziert würde oder aber Voscherau so tief unter seiner persönlichen Meßlatte „Essentials“ hindurchspringen müßte, daß er quasi zum Rücktritt gezwungen wäre, um sein Gesicht zu wahren.
Daß der Bürgermeister dennoch weiterverhandelt, dient nach dieser Version nur dem innerparteilichen SPD-Frieden. Als Beweis für die Linke sozusagen, daß er wirklich ernsthaft verhandelt hat.
Die zweite Variante, die der Rotgrün-Verfechter, lautet: Eine Annäherung bei den „Knackpunkten“ war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erwarten. Die Verhandlungen sind durch den sogenannten Methodenwechsel aus der Sackgasse herausgeführt worden.
Daß Voscherau die Verhandlungen trotz der von ihm konstatierten „Einigungslosigkeit“ nicht habe platzen lassen, zeige, daß sich der Bürgermeister auf die GAL zubewegen wolle. Abstriche an den eigenen „Essentials“ inklusive. Ein rotgrüner Koalitionsvertrag, der sowohl von der grünen Basis als auch vom Bürgermeister getragen werde, erscheine nunmehr möglich.
Welche Version die richtige ist? Sackgasse oder nicht? Tja, das weiß wohl nur Voscherau selbst. Wenn er es weiß.
Fest steht jedenfalls, daß der Senatschef – und das wird ihm durchaus gefallen – die Dinge nun in der Hand hat. Er ist an der Reihe zu entscheiden, ob das rote oder das blaue Einbahnstraßen-Zeichen vor der rotgrünen Gasse aufgehängt wird.
Uli Exner
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