Nicht mehr die feinsten Pralinés

■ Jürgen Berger sprach mit Frank Baumbauer, dem neuen Intendanten des Hamburger Schauspielhauses

taz: Herr Baumbauer, als Sie Basel verließen, zogen Sie auch die Konsequenz aus Sparbeschlüssen der Kantonalregierung. Tritt jetzt in der Situation knapper Finanzen nicht auch zu Tage, daß das Verhältnis zwischen Politik und Theater grundsätzlich gestört ist?

Frank Baumbauer: Vielleicht ist es ein gestörtes; wenn es um ein Beispiel wie Basel geht, glaube ich eher, daß es gar kein Verhältnis gibt. Viele Politiker, die jetzt auf die Sparpauke hauen, wissen eigentlich gar nicht, über was sie reden, während viele Theaterleute mit politischen Abläufen nichts anfangen können. Hinzu kommt, daß das Theater dort, wo es glückt, etwas Unbequemes ist. Dieses Unbequeme möchte man in manchen Städten in den Griff bekommen, und das geht am besten, vermeidet man inhaltliche Auseinandersetzungen und dreht dem Theater mit den Finanzen den Strick.

Was aber, wenn es in der Tat große finanzielle Probleme der Kommunen gibt?

Ich wäre eine schlechter Theaterdirektor, wenn ich in finanziell engeren Zeiten nicht sparen könnte. Das hat allerdings nichts mit Sparforderungen von 30% wie in Basel zu tun, die das Theater in seiner Substanz gefährden.

Ist das Theater nicht auch deswegen so in die Defensive geraten, weil Intendanten heute viel zu schnell wechseln, es immer wilder zusammengewürfeltere Führungsmannschaften und immer weniger in sich gefestigte Ensembles gibt?

Ja, natürlich, das ist in der Tat ein großes Problem, wobei im Moment allerdings eine Trendwende spürbar ist. Ob sich etwas ändert, hat allerdings mit uns, mit den Intendanten, zu tun, die hoffentlich davon abkommen, den schönsten Strauß Blumen, den besten Champagner und die feinsten Pralinés auf den Tisch stellen zu wollen. Was exquisit und teuer ist, muß nicht gut sein, und man sieht an Beispielen wie Friedrich Schirmers Anfang in Stuttgart, daß es andere Konzepte gibt. Ob die aufgehen, steht auf einem anderen Blatt, wichtig ist, daß er und übrigens auch Eberhard Witt in München und ich in Hamburg wieder eine Teamsituation aufbauen möchten. Die Situation ist gar nicht so ungünstig, weil bei den Regisseuren und Bühnenbildnern eine tolle Generation so um die Dreißig nachkommt, die weiß, daß man sich nur in Verbindung mit einem Haus wirklich entwickeln kann. Das sind Gegengewichte gegen Theater, die es nur noch mit Geld schaffen und in denen es keine geistige Bündelung und künstlerische Überzeugungsarbeit mehr gibt.

Und wie könnte man den Zwangszusammenhang durchbrechen, daß gerade solche Häuser Stars einkaufen und die Preise in die Höhe treiben, um damit ihren Geldgebern, den Kommunalpolitikern, zu imponieren?

Ein wichtiger Faktor dabei sind zum Teil ja auch die Kulturpolitiker selbst, die wie Manager in der Bundesliga tolle Einkäufe vorweisen wollen und dabei Scharlatanen auf den Leim gehen. Aus diesem Teufelskreis kommen wir nur heraus, wenn die Theaterleute, die das können und wollen, klug sind, sich einmischen und das Marketing- Spiel nicht bis zum Ende ausreizen. Wir selbst müssen drosseln und Gagenobergrenzen festlegen, obwohl es dabei um unsere Eitelkeiten geht. Tun wir das nicht, kann das Schreckliche passieren, daß Sparpolitiker jetzt Intendanten holen, die unter allen Umständen den Job wollen und bereit sind, mit dem Theater ganz weit nach unten zu gehen.

Warum kommt die Erkenntnis fast schon zu spät?

Weil die jetzige Intendanten- Generation nicht das Messer im Rücken spürte. Wir, die 68er-Generation, behaupteten zumindest noch, wir wollten etwas im Theater verändern, die Generation nach uns ist dagegen voll in den Kapitalismus-Topf gefallen und hatte gar keinen Grund, uns zu fordern. Heute fangen die Karrieren viel zu früh an, junge Regisseurinnen und Regisseure sind häufig zu schnell nur noch damit beschäftigt, eine Inszenierung nach der anderen abzuliefern.