Raumtransporter Hermes abgestürzt

■ Die Finanzkrise zwingt Europa zur Reduzierung seines Raumfahrtprogramms / Trotz Einsparungen steht die bemannte Raumfahrt weiterhin auf dem Plan

Die europäische Weltraumpolitik, so scheint es, dreht sich in diesen Tagen im Kreis. Lösungen, die vor einem Jahrzehnt mit vielerlei Argumenten beiseite geschoben wurden, sind plötzlich wieder gültig. Die finanzielle Misere der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) zwingt die europäischen Raumfahrt-Planer jedoch, ihre Wünsche drastisch zurückzuschrauben.

So hatte man etwa bei der Weltraumorganisation jahrelang die Entwicklung eines bemannten Raumtransporters Hermes favorisiert, den insbesondere Frankreich wünschte – bis er dann mit zu erwartenden Kosten von 12 bis 15 Milliarden Mark viel zu teuer und zu schwer wurde, während seine Nutzlastkapazität gegen null ging oder sogar negative Werte annahm.

Noch auf einer Sitzung der europäischen Forschungsminister im vergangenen November in Granada war man davon ausgegangen, den ESA-Haushalt bis zum Jahre 2000 auf jährlich etwa 7 Milliarden Mark würde anheben können. Er liegt dagegen zur Zeit mit 2.600 europäischen Rechnungseinheiten bei etwa 5,4 Milliarden Mark. Die finanziellen Verhältnisse der dreizehn ESA-Mitgliedsstaaten machen derzeit jede Budget-Erhöhung unmöglich.

Mit dem jetzt am 13. und 14. Oktober in Paris den ESA-Mitgliedsstaaten vorgelegten „Vorschlag für eine neue ESA-Strategie“ wird nunmehr eine bemannte Kapsel, ein sogenanntes „Crew Transfer Vehicle“ (CTV), also ein Mannschafts-Transfer-Fahrzeug, vorgestellt. Dieses CTV soll mindestens vier Astronauten in den Weltraum tragen können und nicht 12 bis 15 Milliarden Mark kosten, wie sie für den jetzt eingestellten Hermes avisiert waren, sondern nur etwa 2,5 Milliarden.

Es wird auf der neuen europäischen Großrakete Ariane-5 in den Weltraum transportiert werden, die bereits 1995 das erste Mal starten soll. Das geplante Raumfahrzeug könnte die Verbindung zu einer internationalen Raumstation aufrechterhalten und würde Europa – auch ohne Hermes – in der bemannten Raumfahrt unabhängig machen, worauf insbesondere die Franzosen nach wie vor drängen.

Weiter sieht der neue Vorschlag der ESA an ihre Mitgliedsstaaten vor, daß die bemannte Columbus- Kabine, die Teil einer internationalen Raumstation werden sollte, weiter, auf nur noch sechs Meter Länge, verkleinert wird. Damit wird dieses Modul nicht nur billiger, sondern mit einem Gewicht von etwa zehn Tonnen auch so leicht, daß es auf der Ariane-5 gestartet werden kann. Zuvor war für den Start der amerikanische Raumtransporter vorgesehen gewesen.

Noch im November 1992 in Granada hatte man für dieses Columbus-Modul im Zeitraum von 1994 bis 2000 Ausgaben in Höhe von rund 5 Milliarden Mark festgeschrieben. Jetzt soll das verkleinerte Modell annähernd 1,5 Milliarden Mark billiger werden. Außerdem will die ESA das Columbus-Modul so konzipieren, daß es später gegebenenfalls den Aufbau einer eigenen kleinen Raumstation ermöglichen würde.

Sollten die Mitgliedsstaaten der ESA jetzt bereit sein, das neue Programm zu akzeptieren und durchzuführen, so hätte die Weltraumorganisation damit ihre alten Ziele in der bemannten Raumfahrt – mit erheblichen Einsparungen und auch weniger technologischem Ehrgeiz – erreicht. Anatol Johansen