■ Haftbefehl gegen Italiens Aufsteiger-Symbol De Benedetti
: Vorsicht beim Triumph

Endlich, wird manche/r meinen, endlich hat es auch einen der großen italienischen Kapitalisten erwischt: Olivetti-Chef Carlo De Benedetti soll wegen Bestechung von Beamten des Postministeriums hinter Gitter. Doch bei allem verständlichen Triumph über einen Mann, der durch sein aggressives Finanzgebaren bei gleichzeitig „weicher“ Linie gegenüber Grünen und Arbeitern zum Symbol des Neokapitalismus wurde – ein paar nachdenkliche Anmerkungen zu den möglichen Folgen des Vorgehens seien erlaubt: Italien durchlebt derzeit den schwierigsten Moment seiner Nachkriegsgeschichte. Die alte Nomenklatura hat sich durchweg als korrupt erwiesen. Unternehmer, Intellektuelle, Arbeitervereinigungen offenbaren sich als gigantisches Gesamtkunstwerk aus Filz.

Doch plötzlich zeigt dieses Land auch, daß es imstande ist, sich mithilfe der letzten, zumindest rudimentär intakt gebliebenen Säule der Demokratie – der Justiz – selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Enorme Schritte werden getan – von der Entmachtung der Geheimdienste über die Einrichtung transparenter Administrationen bis hin zur Aufhebung der parlamentarischen Immunität, hinter der sich in den letzten Jahrzehnten zu viele Dunkel- und Strohmänner zu verbergen wußten.

Geichzeitig aber bieten diese massiven Umgestaltungen auch offene Flanken, zumal es bis heute keine einigermaßen konsensfähige, neue politische Klasse gibt, man also nicht weiß, in welche Hände die Regierung gelangen wird. Jedenfalls steigen unter solchen Umständen die Chancen derer, die Krisen wie diese nutzen wollen, um ihre eigenen Süppchen zu kochen – und das reicht bis hin zur immer unverhohleneren Forderung nach Errichtung eines autoritären Systems, das angeblich alle Schwächlichkeiten der parlamentarischen Demokratie vermeiden und dem Land wieder zu Prosperität verhelfen solle.

Darum gerade könnte sich die Verhaftung De Benedettis auch als ein übler Dienst an der Demokratie erweisen. Gerade erst hatte die Notenbank mit den neuesten Daten eine leichte Erholung der gebeutelten Wirtschaft konstatiert. Es schien so, als wäre das Schlimmste vorüber. Und die gar nicht schlechte Figur, welche die Regierung Ciampi auf wirtschaftlichem Gebiet machte, schien Früchte zu tragen. Dies, und nicht die erfolgreiche Aufklärung über Putschversuche, trägt derzeit zur relativen Gelassenheit in der Bevölkerung bei. Purzelt die Börse erneut, was nun zu erwarten ist, könnte sich die ökonomische Lage weiter verschlechtern und damit genau jenen politischen Kräften Auftrieb geben, die von Chaos und Unübersichtlichkeit profitieren.

Und auch dies sollte zum Nachdenken anregen: Die Mailänder Staatsanwälte, gewiß nicht als zimperlich bekannt, haben De Benedetti bei ihrer Ermittlung Haftverschonung gestattet: De Benedetti hatte zuvor die Verantwortung für all seine Manager übernommen und bedenkenlos die Archive seines Imperiums geöffnet. Daß die römische Staatsanwaltschaft nun solcherart hart zuschlägt, riecht nicht nur in Unternehmerkreisen stark danach, daß die sonst eher erfolglose und betuliche Justiz plötzlich vom Fieber gepackt ist und ohne Rücksicht auf demokratische Verluste auch einmal einen Top-Häftling haben möchte... Werner Raith, Rom