Die Angst der Reps vor den Rechten

Bundesparteitag wählte Kandidaten zur Europawahl: „Maastricht niemals!“ / Heißt der Hauptfeind CSU? / Vor der Halle flächendeckende Absperrungen und 15 Festnahmen  ■ Aus Rastatt Heide Platen

Schon am frühen, kalten Sonntag morgen ist die „Badner Halle“ abgesperrt. Rastatt, südlich von Karlsruhe gelegen, rund 50.000 Einwohner, ist gerüstet zum hier unerwünschten Parteitag der „Republikaner“. Die baden-württembergische Polizei auch. Draußen formiert sich den Tag über immer wieder, und in unterschiedlichen Facetten, der Widerstand. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) leitet seine Gegendemonstration mit rund 2.000 Menschen weiträumig um den Ort des Geschehens herum. 500 vorwiegend junge Leute versuchten seit acht Uhr immer wieder, die Halle zu erreichen. Der Bahnhof glich da schon einer kleinen Festung, die Einfallstraßen sind für Personenkontrollen abgesperrt. Der baden- württembergische Innenminister Frieder Birzele (CDU) hatte seine Ankündigung wahr gemacht, den Parteitag vor „Extremisten“ zu schützen. 1.500 Beamte sind im Einsatz. Gegen 9.30 Uhr kommt es zu ersten Festnahmen.

Im nahe gelegenen Ludwig-Wilhelm-Gymnasium hat Bürgermeister Klaus-Eckhard Walker (SPD) zu einer Diskussionsveranstaltung gegen „die sogenannten Republikaner“ geladen. Das Informationstelefon der Stadt ist rund um die Uhr besetzt. Gegen Mittag gelingt es rund 300 DemonstrantInnen, bis dicht an die Halle heranzukommen. Sie werden mit Knüppeleinsatz zum Marktplatz abgedrängt. Zwei Schüler haben auf ihr Plakat nichts als einen großen braunen Scheißhaufen gemalt. Andere skandieren in Richtung Polizei: „Wo, wo, wo wart ihr in Rostock?“

Drinnen wählen die rund 500 Delegierten im Eiltempo ihre Kandidaten für das Europaparlament. Der für zwei Tage geplante Parteitag darf, laut Gerichtsbeschluß, nur einen Tag währen.

Die Diskussionsbeiträge sind ohnehin vor allem markig, laut, abgehackt und abgehakt und knapp mit kurzen Sätzen gespickt. Die Grundsatzrede des amtierenden, und nach parteiinternen Querelen bisher einzigen Europaabgeordneten der „Republikaner“, Franz Schönhuber, ist um so länger. Sie ist vor allem eine Anklage gegen den „inquisitorischen Verfolgungseifer“ der diversen Feinde, die er allenthalben ausmacht. Aber die Gegner stehen dann doch vorwiegend rechts und heißen „Amigo-Verein CSU“, „potentieller Verfassungsbrecher ... Dr. Stoiber“ und Franz-Josef Strauß, der „mit SED-Verbrechern“ Umgang pflegte. Dazu kommen die „Kopisten“ der „Republikaner“ in der CDU/CSU. Einen weiteren programmatischen Teil widmet er der „Einmischung“ der USA in innerdeutsche Angelegenheiten, den Juden, und da insbesondere Ignatz Bubis. „Juden“, legt er eine atemberaubende Volte nahe, indem er einen der Vorzeigekandidaten, den Faschismus-Gegner Hans Hirzel, zitiert, seien die „Republikaner“ doch eigentlich selber.

Sein politisches Credo heißt „Europa ja, Maastricht niemals!“, gefolgt von der Klage über viel Arbeit in Brüssel, wenig Familienleben und fehlende Kläranlagen in Europa. Schönhuber wird Spitzenkandidat. Der Zweitplazierte, Ex- SPDler Klaus Zeitler aus Franken, beharkt dann die Themen Asylbetrug, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot.

Das reichliche Beschwören der Sekundärtugenden Ordnung, Fleiß, Sauberkeit usw. nützt, wenigstens in den eigenen Reihen, wenig, denn mittendrin wird immer wieder die innerparteiliche Schmutzwäsche gewaschen. Da sprechen sich Delegierte gegenseitig die Legitimation zur Kandidatur ab, ist im Vorfeld emsig vor Gericht gestritten worden, werden RednerInnen abgekanzelt und der Appell für die Wahl einer Frau verlacht. Das Interesse daran, ob die Kandidaten denn als potentielle Europaabgeordnete auch Fremdsprachen können, ist groß, der Beifall aber größer, wenn sie dazu erklären: „Ich kenne vor allem die deutsche Sprache und Mentalität.“

Die Delegierten im Saal sind vorwiegend männlich: vom LKW- Fahrer bis zum Technischen Zeichner, proletarisch hemdsärmlig bis zum farbigen Jackett von der Stange, Marke Haider-Outfit. Auffällig ist die Vorliebe für vor allem weinrote, aber auch sonst bunte lila, gelb, türkis gefärbte Jacketts und wildgemusterte Krawatten. Mann geht jugendlich auf die 50 zu und hat eine ganz besondere Schwäche für klotzige Uhren, Goldkettchen und dicke Fingerringe. Ingenieure, Techniker, Handwerker und Journalisten haben das Sagen.

Währenddessen stehen draußen auch am Nachmittag immer noch einige 100 Demonstranten vor der Polizeiabsperrung. Ein Knüppeleinsatz am Mittag hatte etliche Verletzte gefordert. Versuche der Polizei, kleine Gruppen einzukesseln, enden in Rangeleien. Die Einsatzleitung meldete 15 Festnahmen wegen „Widerstands und Beleidigung“. Insgesamt, so Pressesprecher Peter, seien sie „sehr zufrieden mit unserem Konzept“. Auch im Rathaus machte sich am späten Nachmittag Erleichterung breit: „Es hätte schlimmer kommen können.“