■ Die Regierungskoalition hat sich auf den neuen 218 geeinigt
: Die Würfel sind gefallen

„Wir haben gewonnen“ war der Slogan, mit dem die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende, Uta Würfel, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Abtreibungsrecht kommentierte. Die Siegesgewißheit der Freidemokratin war nicht nur Pose. Gemeint war eine spezifische Interpretation des Richterspruches: Man hatte gewonnen, weil erstmals in der Geschichte des bundesrepublikanischen Abtreibungsrechts der Selbstbestimmung der Frau, ihrer Würde als eigenverantwortlicher Person ein überragendes Gewicht zugebilligt worden war. Nicht mehr allein das Recht der befruchteten Eizelle wurde von den obersten Richtern zum Maßstab erhoben. Der Preis aber sollte eine Beratung sein, in der die Gründe für den Abbruch dargelegt werden müßten.

An dieser positiven Interpretation will und muß die Abgeordnete Uta Würfel sich messen lassen. Schon deshalb irritiert die neue Übereinstimmung mit der CDU/CSU in Sachen Abtreibung. Hatte sich doch auch die Union nach dem Karlsruher Spruch als Siegerin gefühlt. Sie rieb sich die Hände angesichts der wortreichen Fülle des Urteils. In der Beratungspflicht sah sie verlockende Möglichkeiten, Frauen zu drangsalieren und ihnen zu drohen. Und sie sah sich darin bestätigt, daß Abtreibung ein Übel sei und Frauen allemal nicht eigenverantwortlich entscheiden könnten.

Der jetzige Kompromiß zwischen FDP und Union ist dennoch nicht überraschend. Er hatte sich bereits in einem Gesetzesentwurf Uta Würfels von Mitte September angedeutet, der, mit Blick auf die damalige Siegerpose, Überraschung auslöste. Anstatt das Selbstentscheidungsrecht der Frauen zu betonen, wurde der sogenannten Zwangsberatung in einem eigenen Gesetz großzügig Platz gemacht. Unerwähnt blieb das „Letztentscheidungsrecht“ der Frauen. Später gab sie zu, daß sie vielleicht zuviel geregelt hätte. In einer weiteren Runde sollte das „Unverzichtbare“ von dem nur „Erläuternden“ sondiert werden.

Was ist daraus geworden? Heiße Luft. Eine der wirklich grundlegenden Aussagen der Richter, wonach die Beratungsstelle der Frau ihre Entscheidung nicht vorgeben dürfe, sie „ergebnisoffen“ zu führen habe, wurde in den Kompromißentwurf nicht aufgenommen. Vielmehr setzte man mit Verve durch, Strafandrohungen für Ärzte aufzunehmen, die sich nicht vergewissern, daß eine Beratung tatsächlich stattgefunden hat. Auch sollen sie die Frau erneut auf das Verderbliche ihres Vorhabens aufmerksam machen. Ergebnis: Nicht nur das eigentliche Beratungsgespräch, sondern auch ein Gespräch mit dem Arzt, der unter dem Fallbeil einer Bestrafung steht, müssen Frauen auf ihre Schultern nehmen – und dies in einer extremen Belastungssituation. Wie war das noch? Wir haben gewonnen? Julia Albrecht