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Haitis Militärs auf der Gehaltsliste des CIA

Kontakte seien notwendig, um „neue Entwicklungen vorhersehen“ zu können / Präsident Clinton schickt Kriegsschiff für eventuelle Evakuierung von US-Bürgern an Haitis Küste  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Sich als Flüchtling an die Gebräuche des Aufnahmelandes zu gewöhnen, mag schon schwer genug sein. Den haitischen Exilanten, den Aristide-Anhängern in New York, Miami oder Washington dürften die traditionellen amerikanischen Halloween-Parties an diesem Wochenende, auf denen bevorzugt Skelette und Totenschädel zur Schau getragen werden, wie eine Verhöhnung der politischen Realität in ihrem Land vorgekommen sein. Der 30. Oktober hätte der Tag sein sollen, an dem der von den Militärs gestürzte Präsident Jean Bertrand Aristide gemäß einem von der UNO vermittelten Abkommen nach Haiti hätte zurückkehren sollen.

Statt dessen haben Militärs und rechtsradikale Allianzen in Haiti nun endgültig klargemacht, daß sie sich um das besagte Abkommen von Governor's Island nicht scheren, das nicht nur die Rückkehr Aristides, sondern auch den Rücktritt des Militärchefs General Raoul Cedras vorsah. Dennoch will man in Kreisen der UNO und der US-Administration weiterhin versuchen, Haitis Militärs sowie die haitianische Oberschicht durch eine Verschärfung des Handelsembargos zum Einlenken zu bringen. Für eine mögliche Evakuierung von US-Bürgern schickte Präsident Clinton ein Kriegsschiff vor die haitianische Küste.

US-Medien berichteten am Wochende erstmals, daß Schlüsselfiguren des haitianischen Militärs mindestens bis zum Zeitpunkt des Putsches gegen Aristide am 3. September 1991 auf der Gehaltsliste der CIA standen. Gegen Dollars sollen die Betreffenden, deren Namen nicht genannt wurden, dem Geheimdienst Wissenswertes über Drogenschmuggel und über politische Bewegungen in Haiti geliefert haben. Robert Torricelli, Mitglied des Ausschusses für Nachrichtendienste und Außenpolitik des US- Repräsentantenhauses, bezeichnete die Kontakte in der New York Times als unverzichtbar, „um neue Entwicklungen in unbeständigen Nationen vorhersehen zu können“. Was er sich konkret von solchen Informationsquellen erwartet hatte, ließ der Abgeordnete der Demokraten aus dem Bundesstaat New Jersey im dunkeln. Ihm dürfte, ebenso wie der CIA, bekannt sein, daß Militärs und Polizei in Haiti auch auf der Gehaltsliste lateinamerikanischer Drogenkartelle stehen, die die USA mit Kokain versorgen.

Die jüngsten Presseberichte mögen allerdings erklären, warum zumindest einige Mitarbeiter der CIA in den letzten beiden Wochen im US-Kongreß Berichte über die angeblich labile psychische Verfassung Aristides zirkulieren ließen. Jedoch ist man sich uneinig, ob es sich bei den hierfür vorliegenden „Beweisen“ um Fälschungen handelt. Der US-Nachrichtensender CNN berichtete am Freitag, für die angebliche Behandlung Aristides mit Anti-Depressiva in einer kanadischen Klinik im Jahre 1980 ließen sich keinerlei Anhaltspunkte finden.

Die Gerüchte reichten allerdings aus, um die ohnehin schon halbherzige Unterstützung des US-Kongresses für den haitianishen Präsidenten weiter zu schwächen. Zumal sich einige Parlamentarier noch genau an einen Geheimdienstbericht aus dem letzten Jahr erinnern, in dem „Chefanalytiker“ Brian Latell den Putschisten Raoul Cedras als einen der „am meisten versprechenden haitianischen Führer“ beschrieben hatte.

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