„Der schlimmste gegenwärtige Krieg der Welt“

■ Der neue Angola-Vermittler der UNO kann noch keinen Erfolg vorweisen

Luanda (taz) – Seit Alouine Blondin Beye Mitte des Jahres die Leitung der UNO-Mission in Angola (Unavem) übernahm, bemühte sich der westafrikanische Diplomat vor allem um eins: den vergessenen Krieg wieder in das internationale Bewußtsein zu rücken.

Er bezeichnete den Konflikt als den „schlimmsten gegenwärtigen Krieg der Welt“, und er zitiert Generalsekretär der Vereinten Nationen, Butros Ghali, mit den Worten, „es gebe Kriege der Reichen und Kriege der Armen“.

Doch das hindert beide nicht, auf diplomatischem Parkett das Spiel mitzumachen, daß die Unita und ihr Führer Jonas Savimbi meisterhaft beherrschen. In der vergangenen Woche plädierte der Generalsekretär wieder einmal dafür, keine neue Sanktionen gegen die Rebellenbewegung zu verhängen. Begründung: Savimbi und seine Mannen würden neue Flexibilität zeigen. Dabei hatte Sonderbotschafter Beye, ein alter Freund von Savimbi, in Lusaka gerade eine Woche lang weitgehend erfolglos versucht, Unita und die Regierung von Präsident Eduardo dos Santos einander näherzubringen. Denn die Unita weigert sich immer noch, das Territorium zu räumen, daß die 30.000 Mann starke Rebellenbewegung nach ihrer Wahlniederlage im Herbst 1992 besetzte.

Öffentlich behauptet Unita zwar, man wolle das Wahlergebnis jetzt anerkennen, aber in Wirklichkeit haben sich die Positionen kaum verändert. Die Rebellenorganisation besteht darauf, bestimmte Regionen Angolas alleine zu verwalten.

Am 1. November sollten laut einem früheren Beschluß der UNO Regierungen aufgefordert werden, Auslandskonten der Rebellen zu sperren.

Darüber hinaus war geplant, internationalen Vertretern das Reisen zu erschweren. Doch Unita gelang es wieder einmal, mit der diplomatischen Offensive das schlimmste abzuwenden – als neuen Termin für die Strafmaßnahmen gab Ghali am vergangenen Wochenende nun den 1. Dezember an. Ein neuer Termin für weitere Verhandlungen wurde vorerst jedoch nicht festgelegt.

Über seine Sondierungsbemühungen hat UN-Sonderbotschafter Beye eine totale Nachrichtensperre verhängt. Teil eines neuen Stils, der auch für den persönlichen Umgang gilt. Beyes erste Dienstanweisung nach seinem Amtsantritt galt dem Protokoll. Alle Mitarbeiter, so hieß es aus dem Chefbüro, hätten ihren neuen Boß Alouine Blondin Beye fortan mit „Maitre“ anzusprechen.

Das Detail ist typisch für den westafrikanischen Rechtsanwalt und Diplomat. Seine Vorgängerin in den Unavem-Baracken hinter Luandas Flughafen, die Europäerin Margret Anstee, erntete bei Jonas Savimbi vor allem Ablehnung – weil sie Frau und Europäerin ist. Er forderte öffentlich ihre Ablösung. Nach einer Anstandsfrist von mehreren Monaten entsprach UN-Generalsekretär Butros Ghali dem Ansinnen.

Mit Vermittlungsversuchen zur Beilegung des Konflikts hatte Beye bisher dennoch kaum Glück. Die Erklärung des UN-Sonderbotschafters: „Ich bin zwar ein Optimist, aber nicht naiv. Ich vergesse nicht, daß es hier 17 Jahre Krieg und einen totalen Zusammenbruch gegenseitigen Vertrauens gegeben hat.“

Beye befehligt noch ganze 50 Soldaten und 20 Polizisten – den Rest des UN-Kontnigents, das einst über 500 Mann umfaßte. Die UNO war nach Angola gerufen worden, nachdem die einst von der Sowjetunion unterstützte Regierung in Luanda und die damals noch US-gestützte Rebellenbewegung Unita mit einem 1.500seitigen Friedensvertrag im Mai 1991 den 16jährigen Bürgerkrieg beendeten, der nach der Unabhängigkeit im Jahr 1975 ausgebrochen war. Seit Savimbi sich weigerte, im Oktober 1992 seine Niederlage bei den ersten Wahlen in der Geschichte Angolas anzuerkennen, kamen laut Beye rund 100.000 Menschen bei neuen Kämpfen ums Leben.

Erfolgreich war der UN-Sonderbotschafter allerdings auf der UNO-internen Front. Er schaffte es, Philippe Borel, den unbequemen Leiter des „World Food Programms“ (WFP) in Luanda samt Stellvertreter abzudrängen. Die Hilfsorganisation war mit ihrer teilweise unkonventionellen, aber erfolgreichen Arbeit anderen UN- Organisationen seit langem ein Dorn im Auge – zumal ihre Arbeit immer wieder mit dem Versagen der UN-Mission verglichen wurde.

Freilich erzielte Beye bei seinen Bemühungen auf diplomatischer Ebene auch einen Erfolg. Seit einer Woche bringen die Vereinten Nationen jetzt auch Hilfe in von Unita besetzte Städte. Dazu gehört auch Huambo im Zentralen Hochland von Angola.

Ob diese menschlichen Erleichterungen freilich die Entscheidung über zusätzliche Sanktionen gegen Unita überleben werden, muß sich zeigen. Willi Germund