Die Gesundheit im Atomklo

■ Braucht die Medizin ein nukleares Endlager?

Magdeburg (taz) – Wenn den Regierenden in Bonn und Magdeburg in Sachen Morsleben die Argumente ausgehen, dann beschwören sie gern den medizinischen Notstand. Das Atomklo müsse weiterbetrieben werden, wenn nicht die gesamte Nuklearmedizin zum Erliegen kommen solle. Gerade für die Entsorgung medizinischer Nuklearabfälle scheint das umstrittene Endlager aber gar nicht notwendig zu sein. Zu diesem Schluß kommt ein Gutachten der Gruppe Ökologie Hannover, das die Fraktion Bündnis 90/ Grüne im Landtag von Sachsen-Anhalt in Auftrag gegeben hatte.

„In der medizinischen Diagnostik werden hauptsächlich Nuklide mit extrem kurzen Halbwertzeiten verwendet“, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion, Heidrun Heidecke, am Montag. Derartige Mittel könnten nach dem Abklingen der Strahlung konventionell entsorgt werden. Umschlossene Strahlenquellen, wie sie unter anderem in der Krebsbehandlung verwendet werden, werden nach Angaben Heideckes regelmäßig wieder aufgearbeitet.

„Wo es tatsächlich Engpässe gibt, ist die Zwischenlagerung derartiger Abfälle“, sagt Heidrun Heidecke. „Und ein notwendiges Zwischenlager gibt es in Sachsen-Anhalt nach wie vor nicht.“ Deshalb liege der Verdacht nahe, daß die Landesregierung das Atomklo in Morsleben auch als Landessammelstelle für radioaktiven Müll zum Beispiel auch aus der Medizin nutzen wolle.

Selbst die Landesregierung bestätigt indirekt, daß Morsleben für die medizinische Versorgung nicht notwendig ist. Von den in Sachsen- Anhalt zur Zeit vorhandenen 91 Kubikmetern radioaktiver Abfälle stammt nicht ein Gramm aus der Medizin, bestätigte die Landesregierung jetzt im Magdeburger Landtag. „Das Argument einer ohne das Endlager zusammenbrechenden medizinischen Versorgung der Bevölkerung ist also nichts weiter als Bauernfängerei“, findet Heidrun Heidecke. Eberhard Löblich