Machtwechsel ja, aber mit wem?

Bayerische Grüne übten auf ihrem Programmparteitag herbe Kritik an der SPD / Umfangreiches Landtagswahlprogramm beschlossen / Dissens beim Thema Gentechnologie  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

„Wir wollen den Machtwechsel 1994 in Bayern“, verkündet Gerald Häfner, Landesvorsitzender der bayerischen Grünen, selbstbewußt den knapp 200 Delegierten des Programmparteitages der Grünen in Nürnberg. Mit wem diese „radikale Ausmistung des Amigo-Saustalls“ im Freistaat aber vollzogen werden soll, steht in den Sternen.

Häfners Vorstandskollegin Barbara Hoffmann hat für den potentiellen Bündnispartner SPD nur herbe Kritik übrig. Sie konstatiert nicht nur einen „populistischen Rechtsruck der SPD-Führung“ und einen SPD-Vorsitzenden Scharping, der „an der Illusion klebt, er könnte durch Anpassung an die Politik der Regierungskoalition in Bonn wenigstens ein kleines Stückchen vom Kuchen der Macht zugeworfen bekommen“. Die SPD habe „keine Konzepte“, betonte Hoffmann, und daran ändere auch Renate Schmidt an der Spitze der bayerischen SPD nichts. Sie versuche lediglich „mit ihrer Persönlichkeit den desolaten Zustand der Gesamtpartei zu kaschieren“.

So wollen die Grünen ohne Koalitionsaussage in den Landtagswahlkampf in Bayern gehen, dafür aber mit einem umfangreichen Programm. Man wolle sich, so Landeschef Häfner, nicht nur als Ökologiepartei, sondern auch als „Demokratie- und Bürgerrechtspartei“ profilieren. Das sei gerade in Bayern angesichts des blühenden Filzes und der verkrusteten Strukturen durch die jahrzehntelange Alleinherrschaft der CSU nötig. Die Grünen erwarten für 1994 von seiten der CSU „ein zynisches Spiel mit den Ängsten der Bevölkerung“, wie es Umweltminister Peter Gauweiler im Oberbürgermeister-Wahlkampf in München im September vorexerziert habe.

Als Antwort darauf propagieren sie „nicht den starken Staat, sondern den starken Bürger“. Programmatisch umgesetzt bedeutet dies eine konsequente Ablehnung des sogenannten Großen Lauschangriffs, die Auflösung des Verfassungsschutzes, die Einführung von Bürgerbegehren und Volksentscheiden sowie die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten und des Drogengebrauchs, um so Kräfte freizusetzen für die konsequente Verfolgung von Wirtschaftskriminellen.

An erster Stelle des Programms steht aber die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Man habe „aus Fehlern der Vergangenheit gelernt“, begründet dies Landeschefin Hoffmann.

Die Grünen wollen ihre Politik künftig daran orientieren, „was die Menschen am meisten“ bewege. So fordern die bayerischen Grünen ein umwelt- und sozialverträgliches Wirtschaftssystem. Energie- und Rohstoffverbrauch sollen zusätzlich besteuert, der Einsatz menschlicher Arbeitskraft aber steuerlich entlastet werden. Sozialpolitisch soll die Verteilung der Lasten von oben nach unten umgekehrt werden. So steht dieser Programmteil auch unter dem Motto „Statt Millionen bitten wir die Millionäre zur Kasse“.

Für Überraschung und heftige Diskussionen sorgte der Punkt der Gentechnik. Mit knapper Mehrheit verabschiedeten sich die Delegierten vom generellen Nein zur Gentechnik im medizinischen Bereich.

„In wohlbegründeten Einzelfällen“ seien für die Grünen gentechnische Verfahren, „wenn die biologische Sicherheit gewährleistet und eine Beeinträchtigung des ökologischen Gleichgewichts ausgeschlossen“ sei, „überhaupt denkbar“. Dieser Beschluß stieß vor allem bei der Landtagsfraktion auf scharfe Ablehnung. „Ich habe diese Hintertür-Politik satt, die wir in immer mehr Bereichen treiben“, kritisierte der Agrarexperte Sepp Daxenberger die Beschlußvorlage, mußte sich jedoch dem Mehrheitsvotum der Versammlung beugen. „Das ist nicht der Abschluß der Diskussion“, versuchte Häfner das Delegiertenvotum abzuschwächen.