Fristenregelung in Ausnahmefällen

■ Koalition will Fristenregelung strafrechtlich unterlaufen / Eltern von Minderjährigen droht Knast

Berlin(taz/AP/dpa) – CDU/CSU und FDP einigten sich am Wochenende auf die Neugestaltung des Paragraphen 218. Die neuen Regeln des Schwangerschaftsabbruchs sind damit klar – die Einigung kam auf Kosten der Frauen zustande. Wie vom Bundesverfassungsgericht beschlossen, bleibt der Eingriff in den ersten zwölf Wochen straffrei. Bevor der Eingriff vorgenommen werden darf, muß sich die Frau zweimal beraten lassen. Vorgesehen ist, daß beim ersten Gespräch in der Beratungsstelle ein umfangreicher Fragenkatalog beantwortet werden muß. Die zweite Beratung muß die Schwangere unmittelbar vor dem Eingriff vom Arzt über sich ergehen lassen. Ärzte, die sich nicht bescheinigen lassen, daß eine erste Beratung stattgefunden hat, müssen mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr rechnen.

Das abstruse Regelwerk wird mit Zustimmung des liberalen Koalitionspartners ergehen. Die FDP ist am Wochenende offensichtlich umgefallen. Sie hat sich nicht mit ihrer Forderung durchgesetzt, im Gesetz ausdrücklich festzuschreiben, daß im Beratungsgespräch eine Entscheidung nicht vorgegeben werden dürfe, sondern daß allein die Frau zu bestimmen hat, ob ein Abbruch stattfinden soll. Das hierfür wichtige Wörtchen „ergebnisoffen“ fehlt. Uta Würfel, frauenpolitische Sprecherin der Liberalen, betont, daß dennoch gelte: Eine Frau könne nicht dazu gezwungen werden, die Schwangerschaft auszutragen. Letztlich müsse sie über den Abbruch allein entscheiden.

In einem eigenen Paragraph 219 soll festgelegt werden, was die Schwangerenkonfliktberatung zu leisten habe, sagte Frau Würfel. Nach dem Willen der Koalitionsparteien sollen den Frauen Perspektiven für ein Leben mit Kind aufgezeigt werden. Das Gespräch, insbesondere aber die Motivation des Abbruchs soll dokumentiert werden – wenn auch anonym. Anders als im Spiegel dargestellt, sollen Schwangerschaftsberater nicht mit Geldbuße oder Arbeitsplatzverlust bestraft werden, wenn sie der Frau eine Beratung bescheinigen, ohne das Gespräch zu dokumentieren. Mit einem Strafverfahren jedoch müssen Eltern und der potentielle Kindsvater rechnen, wenn sie eine minderjährige Schwangere zum Abbruch nötigen. Würfel will jedoch die Kriterien dafür so eng ausgelegt wissen, daß Angehörige nur in „wenigen Fällen“ bestraft werden könnten. Die Bestrafung des Kindsvaters hält sie für so gut wie unmöglich, wenn er nach erfolgtem Abbruch die Vaterschaft leugne.

Die Beratungsstellen unterliegen strengen Kontrollauflagen. Offen bleibt, wie dabei die Pluralität der verschiedenen Beratungsstellen gewahrt werden kann. Völlig unklar bleibt auch nach der Einigung vom Wochenende, wer den Abbruch finanziert, wenn die Frau mittellos ist. Beide Regierungsparteien einigten sich darauf, den Entwurf des neuen Paragraphen 218 noch in diesem Jahr im Bundestag zu beraten. Bis Mitte November soll die „Feinabstimmung“ über das Gesetz erfolgen.

Heftigen Protest lieferte gestern die Schatzmeisterin der SPD, Inge Wettig-Danielmeier. Unsinnige Strafvorschriften hätten in dem Beratungsgespräch nichts zu suchen. Sie zerstörten die Chance auf eine wirklich freie Entscheidung der Frauen. Auch das Bundesverfassungsgericht verlange keine Strafvorschriften, sagte Wettig-Danielmeier. Für die Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen forderte die SPD-Politikerin ein eigenes bundesweites Leistungsgesetz, wie es bereits in Hessen gilt. Dadurch sollen Frauen Rechtssicherheit erlangen, und auch weniger gut verdienenden Frauen soll so der Abbruch finanziert werden. Kommentar Seite 10