Der Ausstieg aus der GAL

■ Hamburgs Anti-Atom-Inis kündigen Zusammenarbeit mit den Grünen / Verrat an der Basis oder die normative Kraft des Faktischen?   Von Florian Marten

„Es ist nicht zu leugnen. Wir sind nur noch entsetzt und enttäuscht. Mit Lichtgeschwindigkeit haben sich die Grünen von wesentlichen Inhalten grüner Politik verabschiedet.“ Thomas Müller, Sprecher von „Robin Wood“ und „Gewaltfreiem Aktionsbündnis“, fuhr gestern schweres Geschütz auf. Die GAL sei offenkundig „nicht mehr zu einer Politik bereit, die die sofortige und endgültige Stillegung der AKWs Brunsbüttel und Krümmel verfolgt“. Schlimmer noch: „Die AKWs werden samt und sonders weiter laufen – mit tatkräftiger Unterstützung der Grünen.“ Logische Folge: „Wir kündigen die Zusammenarbeit mit der GAL auf.“

Den letzten Anstoß dazu gab die öffentliche Diskussion des Verhandlungsstandes am Montagabend durch die grüne Verhandlungs-Combo. Auf Vorhaltungen der Inis hatte da der grüne Chef-Ausstiegsunterhändler Alexander Porschke gekontert: „Wir sind mit einer stumpfen Waffe in den Kampf gezogen.“

Die Verhandlungslinie, durch den Kauf der restlichen HEW-Anteile Brunsbüttel und Krümmel ausknipsen zu können, habe sich als nicht durchführbar erwiesen. Porschke entschuldigend: „Wir verfügten nicht über das Herrschaftswissen der SPD.“ Jetzt erst wisse er: „Selbst wenn wir die Wahlen mit 50 Prozent gewonnen hätten – die HEW haben keinen Durchgriff auf die AKWs.“

Wie schmerzlich dieser Erfahrungsgewinn für die GAL verlief, verschwieg Porschke freilich. Tatsächlich war die GAL am vergangenen Mittwoch ganz brav mit der Ini-Forderung in die Verhandlungen gegangen, per HEW-Kauf den Ausstieg zu schaffen. Daraufhin zelebrierte SPD-Rechtsanwalt Mertens genüßlich eine kleine Einführung in die Gesellschafterverträge der HEW. Fazit: Ausstieg per Kauf geht nicht. Kaltlächelnd schob Voscherau nach: Den HEW-Vorstand zu steuern sei nicht so sehr das Problem – aber aus den Verträgen komme man nicht heraus.

Geschockt nahm die GAL eine Auszeit. GAL-Rechtsanwalt Günnemann trocken: „Das war's. Wenn die Verträge so sind, dann ist unser Weg nicht gangbar.“ Ein Mitglied der grünen Combo verbittert: „Plötzlich standen wir in Unterhosen da. Und das in unserem ureigenen Politikfeld. Die Vorbereitung hat nicht gestimmt.“ Schließlich habe die SPD seit 1987 immer wieder mit Hinweis auf die geschlossenen Verträge betont, Hamburg könne die AKWs, an denen es beteiligt ist, nicht dichtmachen.

Zudem, so ein Insider, hätten GAL und Anti-Atom-Inis die harten finanziellen Fakten eines Hamburger Solo-Ausstiegs nie ehrlich und öffentlich dargestellt: Kostete schon der Kauf der fehlenden 25 Prozent an den HEW 700 bis 1.000 Millionen Mark, so wären bei einem einseitigen Ausstieg Sanierungs-, Stillegungs- und Entschädigungsforderungen in mehrstelliger Milliardenhöhe fällig geworden, eine Summe, die niemals auf die Strompreise der Hamburger KundInnen umgelegt werden könnte.

Die Bemühungen der GAL gehen jetzt dahin, praktikablere Strategien zu unterstützen: So etwa die von Joschka Fischer und Monika Griefahn, den Ausstieg durch Verstopfen der Atommüllwege zu erzwingen, oder jenen der Sicherheitsnadelstiche Schleswig-Hol-steins. Schließlich bliebe noch der Weg des Ausbaus alternativer Energieerzeugung, die den Atomstrom ökonomisch überflüssig macht.

Alexander Porschke gestern resümierend zur taz: „Natürlich ist das bisherige Verhandlungsergebnis mit der SPD sehr frustrierend. Uns aber zu unterstellen, wir hätten den sofortigen Ausstieg aufgegeben, ist unehrlich“. Der Schritt der Anti-Atom-Inis, „unserer langjährigen Bündnispartner“, sei „schmerzlich“, aber: „Mit ihren Vorwürfen sind sie bei uns an der falschen Adresse.“