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: Ohne dunkle Karossen

„Tagesschau – 2.11.1973“, Nord 3, zum Sendeschluß

Gestern kann heute schon morgen sein. „Das europäische Hoch ändert seine Lage kaum“, wird verlautet, während aus Löchern in der schwarzen Landkarte der Frühnebel entweicht wie aus einem zerrissenen Duschvorhang und rot das Fieber auf dem Thermometer steigt. Rückblende: Westdeutschland, den 2.11. 1973.

Gemeinhin gilt sie als das Wertkonservativste, was Fernsehen außer Eduard Zimmermann zu bieten hat: die „Tagesschau“. Doch die Zeitreise um zwei Jahrzehnte zurück (ab jetzt täglich zum Nord 3-Programmschluß) zeigt deutlich den Grünspan der Zeit auf der damals noch blasseren Weltkarte.

Da besteht doch glatt fast die gesamte Aufmachermeldung aus einer verlesenen Erklärung des „Bundespresseamtssprechers“ (tief Luft holen). Unser Mann in Bonn taucht gar nicht erst auf. Es gibt auch keine Werbespots für dunkle Regierungskarossen zu sehen. Nach der Empörung über SED-Honecker muß der Sprecher schon wieder klagen: diesmal über die Araber, die uns mit Öl erpressen wollten. Bebilderter Hörfunk teutonisch-administrativer Mache. Noch gab es längst nicht das Satellite News Gathering, das ambulante Paraboltelefon. Korrespondenten meldeten sich telefonisch zu optischen Illustrationen, teilweise noch von Pappe. Der Mann in Washington saß vorm eingeblendeten Stadtbild. Derlei wirkte so richtig wohnzimmermäßig bescheiden; die ebenso dezente Rhetorik folgte brav dem Schatten der Verlautbarung.

Pfiffig, aber kaum so gemeint, die DKP-Parteitagsszenen mit einem sich selbst Beifall klatschenden Herbert Mies. Informationsgehalt der Meldung: Fehlanzeige. Der Aufsager, die Wortmeldung vor Ort, läßt sich noch entbehren, aber die eunuchenhafte Mikrofonhalterei im Jahre Fünf nach '68 verblüfft. Ein ZK-Chef namens Bernhard Vogel (gemach – nur der der Katholiken) beschwert sich über den „Liberalismus“ (der FDP) und hätte sein Interview genausogut gleich per MAZ aus dem eigenen Büro schicken können.

Schade, daß die „Tagesschau“-Ausgaben vor 1973 angeblich aus Platzgründen nicht archiviert wurden. Wie reizvoll wäre es gewesen, die Aufnahmen des ersten „Tagesschau“- Kameramanns Thilo Hauck zu sehen, der im Sommer 1953 auf dem Dienstrad zu Exklusiv-Terminen rund um Hamburg unterwegs war... Dieter Deul