■ Medien-Berufe: Der EB-Hauswart
Es rumpelt vor der Wohnungstür. Wahrscheinlich mein betrunkener Nachbar. Der donnert ganz gerne an die Tür, an meine wohlgemerkt, und wundert sich, daß sein Schlüssel nicht paßt. Ich reiße also die Tür auf – und stehe plötzlich in gleißendem Licht, starre ins Nichts. Die Pupillen verengen sich unwillkürlich, und erst langsam nehme ich Konturen wahr. Am Flurende steht unser Hauswart. Gedrungene Figur, im obligaten 1a gestärkten grauen Kittel. Der Mann filmt mich. Auf jeden Fall hält er eine Handycam in Händen, und das Objektiv weist in meine Richtung. Es ist für einen Moment so still, daß ich die Laufgeräusche des Recorders höre.
Inzwischen richtet der Hauswart sein Zyklopenauge auf meine Altpapierkiste, die ich seit zwei Wochen auf dem Flur zwischengelagert habe. Er zoomt vorwärts verharrt in dieser Einstellung. Bin ich im falschen Film? Ich frage, was das solle und was er hier aufzeichne? Beweismaterial, knurrt er. Und mein Fahrrad, das hier auch widerrechtlich stehe, sowie den Kinderwagen der Nachbarn habe er bereits gestern aufgenommen. Ist der gute Mann jetzt völlig durchgeknallt?
Ein Dossier von Mietern auf Video und der Hausmeister als Dokumentarfilmer – die virtuellen Welten sind realer, als ich das bisher geglaubt habe. Cyberspace im Alltag. Das ist wirklich stark. Weiter so, EB-Hausmeister (EB = Elektronische Berichterstattung)! Auch du bist nur Pixel auf dem Weg zum medialen Gesamtkunstwerk. Sollten wir die Szene, in der ich die Tür aufmache und blöd aus der Wäsche gucke, nicht noch mal drehen? Zügiger und witziger, damit sich der Sachbearbeiter der Hausverwaltung nicht langweilt bei der Vorführung? Ich kümmere mich auch um Make-up und besseres Licht. Thomas Gill
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