„Saat der Vergangenheit scheint aufzugehen“

■ Proteste gegen rechten Professor in Frankfurt / Unileitung zeigt sich moderat

Frankfurt/Main (taz) – Der Biomechaniker Professor Rainer Ballreich lehrt und forscht – nomen est omen – am Fachbereich Sportwissenschaften der Johann-Wolfgang- von-Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Doch neben dem Umgang mit dem Ball denkt Ballreich – erneut mag das Wort vom nomen est omen zutreffen – offenbar oft und laut über das (Dritte) Reich nach. Auf einer Tagung des deutschen Sportbundes im Jahre 1987 bezweifelte Professor Rainer Ballreich vor Zeugen die Existenz des Vernichtungslagers Auschwitz und behauptete, daß die Verbrennungsöfen dort nachträglich „von den Alliierten eingebaut“ worden seien. Und die Leichenberge, so spekulierte Ballreich weiter, seien in Dresden fotografiert worden – nach dem Bombenangriff der Alliierten.

Sechs Jahre lang schwiegen die Ohrenzeugen der faschistoiden Äußerungen von Ballreich. Erst im März 1993 – nach einem Karrieresprung des braunen Gelehrten an die Universität der Mainmetropole – packte der Paderborner Sportwissenschaftler Hagedorn in einem von der Frankfurter Rundschau publizierten Brief an das Sportinstitut aus.

Hagedorn wirft sich heute vor, sich daran mitschuldig gemacht zu haben, „daß Altnazis wie Ballreich ohne Ethik und Moral gegen alle agitieren konnten, die sich nicht faschistisch indoktrinieren ließen“. Hagedorn: „Die Saat der Vergangenheit scheint heute aufzugehen. Wir haben sie durch unser Schweigen gefördert.“

Am Sportinstitut ist der Lehr- und Lernfriede jedenfalls seit Monaten empfindlich gestört. Während vor allem linke Gruppierungen am Institut und aus dem Umfeld des Asta die Entlassung Ballreichs aus dem Universitätsdienst fordern, gab es auf der Vollversammlung des Fachbereichs zum Thema auch andere Stimmen: Auch wenn sich Ballreich tatsächlich so geäußert haben sollte, sei dies seine „Privatangelegenheit“. Eine so „qualifizierte Lehrkraft“ wie Ballreich dürfe der Universität nicht verloren gehen.

Ballreich selbst ging nach einem inzwischen eingestellten Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung in die Offensive: Seine „Diskussionsbeiträge“ seien damals nicht erfolgt, um die Greuel der von deutscher Seite begangenen Massenverbrechen abzustreiten, sondern „um der wissenschaftlichen Sorgfalt als Grundlage für die Förderung einer dauerhaften Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel Rechnung zu tragen“. Wegen der vom Universitätspräsidenten angesprochenen „Schädigung des Ansehens der Frankfurter Universität“ sicherte Ballreich Ende Oktober zu, „ein Gespräch über diese Thematik nicht mehr zu führen“.

Die Frankfurter Studentenschaft will sich damit – im Gegensatz zur Universitätsleitung – nicht zufrieden geben. Ab sofort soll jeden Montag im Hörsaal 1 des Sportinstituts eine öffentliche Diskussion stattfinden. Und für den 10. November lädt die Internationale Liste/ Undogmatische Linke zu einem „offenen Plenum“ zum Thema Rainer Ballreich in das StudentInnenhaus. Klaus-Peter Klingelschmitt