Zusammenschluß im Kampf gegen Alteigentumsansprüche

■ David gegen Goliath: Auf Rügen gründete sich ein Verein Bedrohter und Betroffener durch Restitutionsansprüche

Berlin (taz) – Bauern zittern um ihr Land, Mieter um ihre Wohnungen und Hauseigentümer um den Boden unter ihrem Haus. Ein Gespenst geht um in Ostdeutschland: Alteigentümer aus dem Westen sind da. Kaum ein Thema im Nachwende-Deutschland hat so viele Kontroversen ausgelöst, wie die Restitutionsansprüche westdeutscher Bürger, die ihr Eigentum nach 40 Jahren Sozialismus zurückhaben wollen. Das Klischee vom unbedarften Ossi im Clinch mit dem gewieften Wessi wird hier zur bühnenreifen Realität.

Nun endlich soll David Unterstützung gegen Goliath erhalten. Auf Deutschlands größtem Eiland, der Insel Rügen, ist am vergangenen Wochenende im Schloß Spyker ein Verein gegründet worden, die „Vereinigung Bedrohter und Betroffener durch Restitutionsansprüche“. Initiator dieses neuen Zusammenschlusses ist der im Sommer 1990 gegründete Verein „Insula Rugia“. Hunderte ostdeutscher Einzelschicksale sollen endlich ein Sprachrohr in der Öffentlichkeit erhalten. Karl-Heinz Ließmann, frischgewählter Vorsitzender und selbst Betroffener: „Die Situation seit der Wende ist einfach noch zu neu. Allein wehrt sich da keiner.“ Neben Privatpersonen, die vorerst vorwiegend aus Mecklenburg-Vorpommern stammen, haben bereits die Bürgermeister der Städte Bergen, Putbus und Gartz sowie der Kreisbauernverband und der CDU-Kreisverband ihre Mitgliedschaft angekündigt.

Allerdings möchte man die Restitution nicht grundsätzlich in Frage gestellt wissen. Vera Gröschler, stellvertretende Vorsitzende von Insula Rugia: „Entschädigung vor Rückgabe hätte die Faustregel eigentlich lauten müssen.“ Mit Musterprozessen und Druck von unten hoffen die Vereinsgründer, die Gesetzgebung entsprechend beeinflussen zu können und damit das Wachstumshemmnis Nummer eins für den Aufschwung Ost aus der Welt zu schaffen.

Daß der neue Verband ausgerechnet auf Rügen aus der Taufe gehoben werden soll, kommt nicht von ungefähr. Wiederholt war die Insel in die Schlagzeilen geraten, weil die Rückgabewünsche eines Franz zu Putbus den Frieden empfindlich gestört hatten. Mit 15.000 Hektar Land und Wald sowie diversen historischen Bauten ist der Fürstensproß wohl der größte Alteigentümer der Republik. Auch der Geburtsort des neuen Vereins, das Schloß Spyker, ist ein Restitutionsfall: Der jetzige Besitzer, ein Ostdeutscher, der den fürstlichen Bau im Oktober 1992 von der Treuhand erworben hatte, wollte daraus ein Hotel machen. Jetzt liegt der Umbau auf Eis, weil Herr zu Putbus Ansprüche angemeldet hat.

Im Einigungsvertrag war vorgeschrieben, daß das Land aus der Bodenreform nicht an die Großgrundbesitzer zurückgegeben werden soll. Trotzdem erhalten ostdeutsche Bauern oftmals keine langfristigen Pachtverträge für dieses Land, weil sich die Treuhand diese Flächen als Reserve für noch ausstehende Ansprüche sichern will. Eine Situation, die sich extrem zuspitzen wird, falls sich die im September im Finanzministerium diskutierten Vorschläge zum Entschädigungsgesetz durchsetzen sollten. Dabei hatte man eine drastische Erhöhung der Zahlungen an Alteigentümer auf den Verkehrswert von 1990 vorgesehen (bislang das 1,3fache des Einheitswertes von 1935). Angesichts der leeren Staatskasse sollten diese mit Coupons gegen Immobilien oder Boden, zu veräußern sein. Kein Wunder, daß die Wogen der sonst eher ruhigen Ostsee über Rügen in Wallung geraten.

Betroffene können sich melden bei: „Insula Rugia“ 038 393/32 693. Jantje Hannover