Die Letzten werden die Ersten sein

1:0 für Mailand: Der italienische Riva-Konzern hat im Feilschen um Eisenhüttenstadts Eko Stahl AG das Rennen gemacht. Bringt der Treuhand-Deal der dünnbesiedelten Oderregion den Aufschwung, das 1:1? Die Eko-Stahler sind da skeptisch.

Die Privatisierung des größten Stahlwerkes Ostdeutschlands, der Eko Stahl AG Eisenhüttenstadt, scheint nun perfekt. Der Vertrag ist zwar noch nicht unterschrieben, der Treuhand-Favorit steht aber fest: der Mailänder Stahlkonzern Riva.

Die Italiener machen damit das Rennen gegen die beiden deutschen Mitbieter, Hamburger Stahlwerke (HSW) und ein Konsortium Thyssen/Preussag. Die Entscheidung für Riva ist eine Niederlage für die westdeutsche Stahlindustrie, die Eko am liebsten abgewickelt gesehen hätte.

Auf einer Pressekonferenz bezeichnete Treuhand-Vorstand Hans Krämer gestern die Mailänder als „Bestanbieter“. Geplant ist, die bisherige Eko Stahl AG in eine GmbH umzuwandeln. Einig sind sich die beiden Vertragspartner auch darin, daß die Riva-Gruppe 60 Prozent der Anteile erhalten soll und 40 Prozent „während der Umstrukturierungsphase“, so Krämer, bei der Treuhand bleiben. Bevor endgültig privatisiert wird, muß die Riva-Gruppe aber noch die Wirtschaftlichkeit und Tragfähigkeit ihres Konzepts nachweisen. Dieser Nachweis soll nach Krämer „sehr kurzfristig und in solcher Qualität, daß man auch wirklich Bescheid weiß“, erbracht werden.

Denn die Zeit drängt. Am 18. November wollen die EG-Wirtschaftsminister einen Plan über die stark gebeutelte europäische Stahlindustrie verabschieden. Das brandenburgische Eko-Stahlwerk kann nur überleben, wenn es nach den EG-Richtlinien bis dahin privatisiert wurde. Sollte die Eko kurzfristig kein entsprechendes Konzept vorlegen, wird die Treuhand mit den beiden anderen Anbietern weiterverhandeln.

Die Knackpunkte bei der anstehenden Privatisierung waren die Arbeitsplatzsicherung und die technologische Frage. Zur Zeit sind bei Eko von einst über 11.500 nur mehr 3.400 Arbeiter beschäftigt. Sowohl die Riva-Gruppe als auch die Hamburger Stahlwerke sagten langfristig den Erhalt von über 3.000 Arbeitsplätzen zu. Thyssen/Preussag wollte lediglich 2.000 Arbeiter weiterbeschäftigen. Anders als Thyssen/Preussag planten die beiden Anbieter den Bau einer Warmwalzanlage in Eisenhüttenstadt, um die technologische Lücke zwischen Flüssigphase und Kaltwalzwerk zu schließen.

Bisher waren die Vorprodukte zur Warmwalzung nach Salzgitter oder ins Ruhrgebiet transportiert worden, um sie später wieder in Eisenhüttenstadt weiterzuverarbeiten. Die Treuhand setzt bei der Privatisierung voraus, daß „vorzugsweise eine Dünnbrammengießwalzanlage“ installiert wird. Und die kostet rund eine Milliarde Mark. Diese Anlage ist bei der von Riva geplanten Verarbeitung von 900.000 Tonnen Stahl nur wenig rentabel. Die EG-Minister werden daher im November zu Recht fragen, ob die geplante Anlage nicht zu groß für 900.000 Tonnen Stahl sei. Ab zwei Millionen Tonnen wäre eine solche Anlage sinnvoll, und die EG bemüht sich doch, die Kapazitäten der angeschlagenen Stahlindustrie europaweit zu drosseln.

Bereits im Juli zeigte sich die Kommission der Europäischen Gemeinschaft nicht bereit, der Empfehlung der Wirtschaftsprüfergesellschaft Coopers & Lybrand zu folgen und den Plan der Umstrukturierung von Eko Stahl zu genehmigen. In Brüssel ließ man keinen Zweifel daran, daß es für die Eisenhüttenstädter keine „Sonderbedingungen“ geben könne.

Den Brüsseler Beamten bereiten vor allem die geplanten staatlichen Beihilfen in Höhe von 300 Millionen Mark für die notwendige Umstrukturierung erhebliche Kopfschmerzen. Zudem sollen die Investitionen für die Warmwalzanlage mit 23 Prozent vom Land subventioniert werden. Daß die Italiener das Rennen zumindest bei der Treuhand gemacht haben, liegt nicht zuletzt daran, daß sie bereits ein Stahlwerk in Hennigsdorf von der Treuhand übernommen haben und gewinnbringend betreiben. Gleiches planen sie auch in Eisenhüttenstadt.

Emilio Riva ist es in den letzten 30 Jahren in Italien gelungen, gegen die Konkurrenz der subventionierten Stahlbetriebe den größten privaten Stahlkonzern jenseits der Alpen zu schaffen.

Mailands Stahlmulti Riva hat inzwischen weitere Standorte in Frankreich, Italien und Spanien erworben. Welche Rolle im Riva- Konzept Brandenburg spielt, darüber läßt sich nur spekulieren. Der Erwerb des Eko-Stahlwerkes mit seiner hochsubventionierten, neuen Warmwalzanlage würde Riva erneut einen erheblichen technologischen Vorsprung bringen. Damit wäre die Position innerhalb des europäischen Binnenmarktes weiter gesichert. Der Konzern bestreitet allerdings Vermutungen, nach dem Eko-Erwerb in Hennigsdorf Kapazitäten abzubauen. Treuhand-Vorstand Krämer fand gestern auf diese Frage nur eine ausweichende Antwort: „Dann müssen sie äquivalente Arbeitsplätze in Hennigsdorf anbieten.“ Anja Sprogies