Plasma ohne Unbedenklichkeitsnachweis produziert

■ Strafanzeige gegen Pharma Dessau GmbH / Produktionsgenehmigung entzogen / Deutsche Aids-Hilfe kritisiert die geplante Kürzung des Aids-Etats

Magdeburg (taz) – Die Firma Pharma Dessau GmbH hat nicht nur von dem umstrittenen Koblenzer Unternehmen UB Plasma, sondern auch von anderen Plasma- Lieferanten Blutplasma ohne oder mit unzureichenden Unbedenklichkeitsbescheinigungen bezogen und weiterverarbeitet. Dies gab gestern Sachsen-Anhalts Sozialminister Werner Schreiber (CDU) in Magdeburg bekannt. Dem Dessauer Unternehmen wurde deshalb am Freitag die Genehmigung zur Weiterverarbeitung von Blutprodukten entzogen, das Sozialministerium ordnete den Rückruf aller in Frage kommenden Chargen an und erstattete Strafanzeige gegen die Firma.

Auch ein weiteres Unternehmen, die Octapharma GmbH in Dessau, handelte mit Blutplasmaderivaten, deren Rohstoff von UB Plasma aus Koblenz kam. Beide Unternehmen haben ihre Produkte bundesweit vertrieben.

Die Pharma Dessau verwies in einer Erklärung darauf, daß sie keines der als risikoträchtig bekannten Plasmaderivate herstellt. Aus den 33 Litern Blutplasma, das von UB Plasma bezogen wurde, seien lediglich Albumin sowie verschiedene Globulin- und Immunglobulinpräparate produziert worden. Das Albumin werde bei seiner Herstellung erhitzt, wodurch alle möglicherweise enthaltenen Krankheitserreger inaktiviert würden. Die Immunglobuline seien vorschriftsmäßig vom zuständigen Institut des Bundesamtes für Sera und Impfstoffe untersucht und freigegeben worden. Sachsen-Anhalts Sozialminister bestätigte dies, wies aber darauf hin, daß das Institut des Bundesamtes selbst die Freigabe zurückgezogen hat, nachdem bekanntwurde, daß die Plasmalieferungen aus Koblenz keine oder nur unzureichende Unbedenklichkeitsbescheinigungen hatten.

Mindestens zwei Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt haben in größeren Mengen Produkte der UB Plasma bezogen. Schreiber wies alle Krankenhäuser des Landes an, anhand eigener Unterlagen zu überprüfen, ob sie Lieferungen von UB Plasma erhalten und an Patienten verabreicht haben. Im Schönebecker Kreiskrankenhaus arbeiten die Mitarbeiter jetzt die Krankenakten der Patienten durch, die mit möglicherweise HIV-verseuchtem Plasma aus Koblenz behandelt wurden. Nach der Auswertung der Akten würden die Plasma-Empfänger zum HIV-Test gebeten. Eberhard Löblich

Zwei weitere Festnahmen

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen das Pharma-Unternehmen UB Plasma, das Blutspenden auf unzureichende Weise auf HIV-Viren getestet hatte, wurden gestern zwei weitere Personen festgenommen. Es handelt sich um einen Laborarzt und einen Regierungsdirektor beim Ernst-Rodenwaldt-Institut der Bundeswehr in Koblenz, der nebenberuflich für UB Plasma gearbeitet hat. Der Beamte soll von den verbotenen Pool-Tests gewußt haben.

Die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) hat zwei Tage vor der Eröffnung der vierten Bundespositivenversammlung in München davor gewarnt, einen Keil zwischen die verschiedenen Betroffenengruppen zu treiben. „Es gibt keine schuldigen oder unschuldigen Infizierten“, sagte DAH-Sprecher Michael Lenz. Es sei außerdem ein Skandal, wenn der Aids-Etat von 50 Millionen Mark 1994 um 15 Millionen gekürzt werden solle. Dies werde unabsehbare Folgen für die Aids-Aufklärung und -beratung haben. (AFP/AP)