„Wir haben nur sauberes Plasma“

■ Gesundheitsbehörde gibt Entwarnung / Risikolos ist Blutübertragung jedoch nicht

„Die Verunsicherung unter den Bürgern ist enorm“, klagt der Leiter des Bluttransfusionsdienstes der St.-Jürgen-Straße, Ulrich Diekamp. Ununterbrochen klingelt bei ihm das Telefon. Mittlerweile verweigern schon Fernreisende beim Hafenarzt die Spritze gegen Hepatitis A — weil da Blutbestandteile drin sind. Dabei habe Bremen nie Produkte der in Verruf geratenen Koblenzer Firma UB-Plasma gekauft. Diekamp gibt die Schuld an der Verunsicherung dem Gesundheitsminister, der als Skandal angeprangert habe, was längst bekannt war — und der Presse. Die habe immer nur von „dem Blut“ geredet, anstatt von den verschiedenen Blutprodukten mit ihren unterschiedlichen Risiken. Gestern lud die Gesundheitsbehörde deshalb zur Lehrstunde.

Diekamp rückte einiges zurecht: Das Risiko, sich über eine Behandlung mit Blut (Transfusion oder Medikament) mit Aids anzustecken, hat sich durch die jüngsten Erkenntnisse nicht erhöht. Seit 1985, also seit Blutprodukte auf HIV getestet werden müssen, sind der Bremer Gesundheitsbehörde keine neuen Fälle bekannt geworden. Davor haben sich etwa zehn Menschen über Blutspenden angesteckt. Diekamp betont: Hauptübertragungsweg von Aids ist der heterosexuelle Geschlechtsverkehr, nicht die Bluttransfusion.

Dennoch gibt es ein gewisses Risiko bei Blutübertragungen. Es hängt davon ab, welche Blutprodukte übertragen werden: Plasma (Blutwasser), Formbestandtteile (Blutplättchen, weiße und rote Blutkörperchen) oder industriell aus Plasma gewonnene Albumine und Gerinnungsfaktoren.

Kein Risiko sieht die Gesundheitsbehörde bei Frischplasma. „Wir haben nur sauberes Plasma“, sagt Matthias Gruhl vom Gesundheitsressort. Die Bremer Kliniken beziehen ihr Plasma ausschließlich vom Deutschen Roten Kreuz oder der St- Jürgen-Klinik. Um sicherzustellen, daß im Plasma keine Viren sind, gibt es zwei verschiedene Methoden. Das DRK inaktiviert eventuell vorhandene HIV-Viren mit Methylenblau, die Klinik gibt gespendetes Plasma erst zum Verbrauch frei, wenn auch in einer zweiten Spende drei Monate später keine HIV-Antikörper gefunden werden. Zu dieser „Quarantäneregelung“ hat man sich im Land Bremen vor einem Jahr freiwillig verpflichtet.

Bremen hat also kein Frisch- Plasma der Koblenzer Firma UB-Plasma bezogen, die in Verdacht steht, ihre Erzeugnisse aus Kostengründen nicht alle inaktiviert bzw. getestet zu haben. Unklar ist allerdings noch, ob Bremer ÄrztInnen und Kliniken Medikamente (zum Beispiel Gerinnungsfaktoren) von Firmen bezogen haben, die ihren Rohstoff, das Plasma eben, bei UB-Plasma gekauft haben. Man geht jedoch in Niedersachsen und Bremen davon aus, daß die weiterverarbeitenden Firmen den Rohstoff vorschriftsgemäß inaktiviert haben. Seit es die Inaktivierungs- Methode gibt, sind jedenfalls keine Blutprodukte mit HIV-Viren bekannt geworden.

Ein echtes Risiko besteht, trotz aller Sorgfalt, bei der klassischen Transfusion, also der Übertragung von Blutplättchen und Blutkörperchen; diese nämlich sind nur etwa fünf Wochen haltbar. Man kann also nicht die Zeit abwarten, bis sich beim Spender im Blut nachweisbare Anti-Körper gebildet haben. Das Risiko liegt bei 1:300.000 bis 1 Million. Wer all diesen Entwarnungen nicht glaubt, kann vor Operationen Eigenblut spenden, und zwar in den Kliniken „Links der Weser“, St.-Jürgen-Straße und Diako.

Für unsinnig hält die Behörde übrigens Seehofers Vorschlag, nun sämtliche Krankenakten durchzuwühlen und einstigen Blut-EmpfängerInnen zum Test zu raten. Wie Niedersachsen bietet jedoch auch Bremen kostenlose Aidstests mit „exzellenter Beratung“ im Hauptgesundheitsamt an. Aber auch bei Selbstbezahlung kostet ein Test die Patientin nur drei Mark. cis