Geldentzug zwingt zur Rückkehr in die Heimat

■ Weil das Bezirksamt Wilmersdorf keine Sozialhilfe mehr gewährt, muß eine palästinensische Familie die Wohnung aufgeben / OVG: Rückkehr „zumutbar“

„Wo soll ich denn jetzt mit meiner Familie hin?“ Ahmad M. weiß nicht, wo er die nächsten Nächte mit seiner Frau und seinen sechs kleinen Kindern verbringen wird. Seit dem ersten November steht die Familie auf der Straße, das Bezirksamt Wilmersdorf hat die Zahlungen für die Unterkunft eingestellt. Bereits seit zwei Wochen bekommen sie keine finanzielle Unterstützung mehr.

Grund für die jetzige Misere ist die Weigerung des Bezirksamtes, weiter die Sozialhilfe der Familie zu zahlen. Die M.s, staatenlose Palästinenser aus dem Libanon, seien nur in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, um hier Sozialhilfe zu beziehen. So der Vorwurf des Amtes aus Wilmersdorf, dem jetzt das Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz recht gab. Obwohl Ahmad M. auf Asyl klagt und seine Familie eine rechtmäßige Aufenthaltsbefugnis besitzt, könnten sie nun gezwungen sein, in das Bürgerkriegsgebiet zurückzukehren. „Diese Entscheidung ist eine Unverschämtheit“, erbost sich die Rechtsanwältin Evelies Bröker. „Obwohl der Mann noch im Asylverfahren ist, soll die Familie nach Hause geschickt werden, nach dem Motto: Der Antrag wird sowieso abgelehnt.“ Doch rechtlich gesehen ist auch sie mit ihrer Weisheit am Ende.

Ahmad M. kann die Logik der bundesdeutschen Rechtsprechung nicht nachvollziehen. „Ich würde ja sehr gerne arbeiten, aber ich darf ja nicht“, setzt er dem Vorwurf des Bezirksamtes entgegen. Zwei Stunden täglich ist er als Teilzeit- Reinigungskraft beschäftigt. Viel zuwenig, um die Familie zu ernähren. Aber Arbeitsangebote darf er aufgrund seines Asylstatus nicht annehmen. Seine Frau hat, ohne besondere Arbeitserlaubnis, ebenfalls keine Chance, vom Arbeitsamt vermittelt zu werden; diese steht ihr jedoch erst nach sechs Jahren Aufenthalt zu. So lange werden Deutsche und EG-Ausländer bevorzugt vermittelt.

Anders als das Verwaltungsgericht, das seinerzeit keine Existenzgrundlage für die Frau mit ihren sechs Kindern im Libanon sah, ist für das Oberverwaltungsgericht (OVG) die Rückkehr der Familie „zumutbar“. Ganz anders sehen das die Betroffenen. Nach 16 Jahren Bürgerkrieg liegt das Land noch immer in Trümmern. Zudem hat sich die Familie in Deutschland gut eingewöhnt. „Meine Kinder gingen drei Jahre lang in Tegel zur Schule, und jetzt sollen sie weg“, sagt Ahmad resigniert.

Für das Bezirksamt Wilmersdorf ist mit dem Beschluß der Fall „Familie M.“ erledigt. Rechtsanwältin Evelies Bröker konnte keine weitere Hilfe für ihre Mandanten erhalten. „Wir handeln nach dem Gesetz“, bekam sie von der Abteilung Sozialwesen zu hören. Nachdem am 1. November die Unterkunft der Familie ablief, ist auch beim Amt ihr Verbleib unklar. Auf die Frage, ob die Familie M. auf der Straße sitzen oder eine andere Unterkunft erhalten wird, antwortete die Wilmersdorfer Stadträtin für Soziales, Monika Thiemen (SPD): „Das kann ich Ihnen momentan nicht beantworten.“ Hella Kloss