LKW-Verkehr soll abgefangen werden

■ Baubeginn für erstes Güterverteilzentrum in vier Wochen Optimales Beladen soll LKW-Fahrten überflüssig machen

Lastwagen verstopfen die Straßen. Viele Fahrten in die Innenstadt könnten vermieden werden, wenn die Speditionsunternehmen ihre Planungen untereinander abstimmten. Berlin und Brandenburg wollen nun den Fuhrunternehmen mit sogenannten Güterverteilzentren (GVZ) auf die Sprünge helfen. Bereits in vier Wochen soll der Bau der ersten Umladestation beginnen. Dies kündigte gestern Horst Gräf, Staatssekretär des Brandenburger Verkehrsministeriums, auf einer Pressefahrt an.

Am 2. Dezember wird Verkehrsminister Hartmut Meyer (SPD) die erste Bauphase südöstlich von Berlin mit einem Spatenstich symbolisch eröffnen. Ab 1996 sollen dann Bahn und Lastwagen mit Ladungen für den Ostteil der Stadt – statt direkt nach Berlin hineinzufahren – das dortige Logistikzentrum Freienbrink ansteuern. Hier soll die Ware neu verteilt werden, so daß nicht mehr jeder einzelne zum Teil nur halb beladene LKW seinen Kunden anfährt, sondern vollgeladene Laster mit einer Tour mehrere Abnehmer bedienen. Die beiden anderen Zentren Großbeeren (südlich von Berlin) und Wustermark am Havelkanal (westlich) sollen im selben Jahr eröffnet werden.

Diese Zentren, an denen größere Speditionen angesiedelt werden, entstehen in Modulbauweise. Schrittweise sollen sie entsprechend der Verkehrszunahme auf bis zu 320 Hektar vergrößert werden. Herzstück sind vier jeweils 700 Meter lange Gleise sowie Straßen und zwei Portalkräne. Hier können die in Container verpackten Güter schnell Schiff, Bahn und Lastwagen wechseln. Aber auch von Waggon zu Waggon oder von LKW zu LKW können die Güter neu sortiert werden, so daß die Liefertouren für die Kunden in Berlin und Brandenburg optimal zusammengestellt werden können.

Vertreter der Senatsverkehrsverwaltung wie des Brandenburger Verkehrsministeriums stellen an die insgesamt etwa zwei Milliarden Mark teuren Projekte hohe Erwartungen. Die Verkehrsknoten sollen ein Achtel des Güterverkehrs der Region Berlin/Brandenburg bewältigen. Dann würden Schwerlaster „nicht mehr in der Menge wie bisher“ nach Berlin fahren, versprach der Brandenburger Abteilungsleiter Ulrich Mehlmann. Ural Kalender von der Senatsverkehrsverwaltung peilte das Ziel an, den Anteil der Lastwagen am Berliner Güterverkehr – bundesweit bestreiten sie mehr als die Hälfte aller vom Güterverkehr zurückgelegten Kilometer – auf unter 40 Prozent zurückzudrängen. Selbst wenn das Ziel erreicht werden könnte, würden aber nicht weniger Schwerlaster durch Berlin brettern, widersprach gestern Christian Wiesenhütter von der Industrie- und Handelskammer, der ebenfalls an der Pressetour teilgenommen hatte. Schließlich soll zukünftig ein Laster mehr Kunden bedienen als heute. Dennoch sei ein 30-Tonner unterm Strich umweltfreundlicher, sofern dieser mehrere Kleinlaster ersetze.

Obwohl Staatssekretäre und Beamte auf der mehrstündigen Tour durch Brandenburg und Berlin den positiven Effekt für die Umwelt und die Entlastung des Verkehrs gebetsmühlenartig wiederholten, schrecken sie vor dem Beschneiden der Mitbestimmungsrechte von Anwohnern, Gemeinden und Verbänden nicht zurück. Ministerialbeamter Mehlmann sagte gegenüber der taz, daß bei den Planungsverfahren das Investitionsmaßnahmegesetz angewendet werde – denn bei Verzögerungen drohe ein Drittel der Investoren und Spediteure abzuspringen. Dieses Maßnahmegesetz wertete Georg Hahn, Geschäftsführer der Güterverteilzentren-Entwicklungsgesellschaft als „praktisch“, denn Klagen führten nicht mehr zur Unterbrechung der Bauarbeiten. Sollten am Ende zeitraubender Verfahren Gerichte etwa feststellen, daß gegen Umweltschutzauflagen erheblich verstoßen worden ist, wären die flächenfressenden Logistikzentren längst gebaut. Dirk Wildt