Nachdenken über Edgar S.

Karlsruher SC – FC Valencia 7:0 / Ein Trainer bewahrt auf der Tribüne den Überblick, seine Spieler gewähren Einblick ins Seelenleben  ■ Aus Karlsruhe Uli Fuchs

„Über Edgar Schmitt muß man nachdenken“, soll der Bundesberti nach den ersten 45 Minuten gesagt haben. Zweimal hatte der Ex- Frankfurter in KSC-Diensten bis dahin das Leder ins Tor des FC- Valencia bugsiert, der immerhin die Tabellenführung der spanischen Liga und einen veritablen 3:1-Vorsprung aus dem Vorspiel als Reputation in den Karlsruher Wildpark mitgebracht hatte. Am Ende hieß es gar 7:0 für die Badener, und Berti Vogts, so steht zu befürchten, muß eine schlaflose Nacht verbracht haben. Denn jener Edgar Schmitt sorgte in der zweiten Hälfte weiter mächtig für Denkanstöße, als er mit seinen Toren drei und vier die Europapokal- Gala der Karlsruher fast im Alleingang bestritt. Aber – geteiltes Leid ist halbes Leid – das Nachdenken über Edgar S. und die turbulenten Ereignisse der 90 Minuten beschäftigte auch andere.

„Immer wieder hat er sich in den Rücken unserer Abwehr geschlichen“, klagte der holländische Trainer der Spanier, Guus Hiddink, der vor allem den drei Großchancen nachtrauerte, mit denen sein Team, nicht ahnend, was da kommen sollte, in den ersten 30 Minuten so verschwenderisch umgegangen war. Innerhalb von acht Minuten wurde dann, was die Spanier als Fiesta eingeplant hatten, zur fria nocce, im „figürlichen Sinn des Wortes“, wie Hiddink erklärte, zur kalten Nacht von Karlsruhe. Zweimal Schmitt und Schütterle hatten zwischen der 29. und 37. Minute zur 3:0-Pausenführung getroffen.

Und hoch unterm Tribünendach war offensichtlich auch ein introvertiert auf den Rasen und seinen verwaisten Platz auf der Bank starrender Winnie Schäfer ins Nachdenken geraten. „Man hat einen viel besseren Überblick und sieht alles auch in seiner Entstehung“, brachte er als Erkenntnis aus der Sprecherkabine, in der er sich aufgrund seiner Sperre verschanzt hatte, mit nach unten.

Im Kabinengang gaben sich derweil die KSC-Spieler eher gelassen. Allen voran Manni Bender, der Ex-Bayer, dem offensichtlich das Schmitt-Fieber nicht so recht schmecken wollte. „Er hoatte halt oinen guten Lauf, und wir hoam ihn g'füttert, des moacht a guate Moannschaft aus“, versuchte er unauffällig die eigenen Zubringerdienste ins rechte Licht zu rücken.

Die tieferen Geheimnisse des furiosen KSC-Auftritts aber entschlüsselten andere. Edgar Schmitt, der nach seinem Wechsel von Frankfurt nach Karlsruhe und heimwehbedingten Anlaufschwierigkeiten litt, hatte vergangene Woche nach einem dreifachen Überschlag auf der Autobahn offenbar eine neue Sicht auf die Dinge gewonnen: „Wenn man so einen schweren Unfall hat“, berichtete er, „kommt man schon ins Nachdenken.“

Und dann gewährte Oliver Kahn einen tiefen Blick in die psychologische Trickkiste des deutschen Fußball-Lehrers: „Winnie Schäfer hat uns die ganze Woche erzählt, wie schwach die Spanier auswärts sind – und irgendwann haben wir es dann geglaubt.“

Schade nur, daß das Karlsruher Publikum den kreativen Höhenflügen, die der europäische Fußball erfordert, noch nicht gewachsen scheint. In Anlehnung an den Schmähgesang für den Gegner der bisher nur national engagierten Badenser forderten die Fans: „Zieht den Spaniern die Badehosen aus“. Was nicht nur die provinzielle Bayern-Fixiertheit belegt, sondern die tief sitzende Angst des deutschen Mannes vor dem, was sich hinter spanischen Badehosen verbirgt. Sollten die Karlsruher bis ins Halbfinale vorstoßen, kann der Gegner heißen, wie er will: Stehplatzbesucher werden dann aus dem Karlsruher Wildparkstadion ausgesperrt bleiben – aufgrund der Sicherheitsvorschriften der UEFA.

Karlsruher SC: Kahn - Wittwer - Bilic, Schuster - Schütterle (81. Klinge), Carl, Rolff, Bender, Schmarow - Kirjakow, Schmitt (82. Krieg)

FC Valencia: Sempere - Belodedici - Giner, Serer (46. Galvez) - Quique (64. Eloy), Camarasa, Tomas, Fernando, Alvaro - Mijatovic, Pizzi

Zuschauer: 25.000 (ausverkauft); Tore: 1:0 Schmitt (29.), 2:0 Schmitt (34.), 3:0 Schütterle (37.), 4:0 Schmarow (46.), 5:0 Schmitt (59.), 6:0 Schmitt (63.), Bilic (90.)