■ Blut-Aids-Skandal und neue Vorwürfe gegen UB-Plasma
: Französische Verhältnisse?

Der Blut-Aids-Skandal erinnert in seiner Dynamik inzwischen fatal an die schwarze Störfall-Serie der Hoechst-AG. Oder an die wundersame Vermehrung verschobener Atommüll-Fässer bei der Hanauer Firma Transnuklear. Oder an die Epidemie technisch verrotteter, aus allen Kurven fliegender Brummis nach der Tanklaster-Katastrophe von Herborn. Es ist wie immer: Täglich kommen neue Horrormeldungen dazu. Und das dürfte noch eine ganze Weile so weitergehen. Der ausgerufene Skandal schärft die Sinne. Man lupft den Stein und sieht das Gewimmel.

Drei Wochen nach Seehofers Paukenschlag gegen das Bundesgesundheitsamt hat der Skandal endlich auch jene Branchen umzingelt, die schon Anfang und Mitte der 80er Jahre für die verspätete Reaktion auf den Einbruch der Aids-Krise mitverantwortlich waren. Neben dem BGA sind das vor allem die Pharma- Industrie und das Rote Kreuz, deren blutige Geschäfte seit Jahren Anlaß zu Kritik gaben, die keiner hören wollte. Jetzt fehlt eigentlich nur noch die Ärzteschaft – vor allem die Zunft der Hämatologen – und die Viererbande wäre komplett. Und wir dürfen sicher sein, daß auch deren Verfehlungen in diesem Skandal noch zum Thema werden.

Was wir inzwischen auch sehen, ist dies: Gegen die kriminellen Machenschaften eines Pharma-Unternehmens wie UB-Plasma ist die sogenannte Geheimliste des BGA ein unbedeutender Furz im lauen Abendwind. Mit der Koblenzer UB-Plasma ist eine Firma kenntlich geworden, deren kriminelle Praktiken beinahe französische Verhältnisse erreichen. Sollte das Unternehmen tatsächlich, wie heute berichtet wurde, wissentlich HIV-verseuchte Blutprodukte in Umlauf gebracht haben, dann wäre dieselbe Situation erreicht, die in Frankreich die Verantwortlichen mehrere Jahre hinter Gitter brachte.

Die Auswirkungen des Skandals sind nach wie vor verheerend, und sie werden täglich schlimmer. Kein Krankenhaus in Deutschland, in dem nicht die Patienten zittern. Weniger vor den anstehenden Operationen als vielmehr vor der Applikation von Blutprodukten. Die gesundheitlichen Schäden, die durch die Angst vor verseuchten Blutprodukten, durch die Verweigerung von Operationen und Transfusionen angerichtet werden, sind alarmierend. Bisher konnte man diese Ängste mit Hinweis auf das eher geringe Restrisiko noch in den Griff kriegen. Wenn UB-Plasma bewußt verseuchte Blutprodukte verkauft hat, dann wären diese Ängste berechtigt, dann hätte der Blut- Aids-Skandal eine neue verheerende Dimension erreicht. Dann hätte ein Pharma-Unternehmen Menschen aus niedrigen Beweggründen vorsätzlich um ihr Leben gebracht und müßte mit einer Mordanklage rechnen. Manfred Kriener