Tourismus: Wildes Wachstum in Costa Rica

■ Umweltschützer fürchten, daß die Besucher das zerstören, was sie suchen: Natur

San José (IPS) – Einen regelrechten Boom erlebt derzeit die Tourismusbranche in Costa Rica. Umweltschützer befürchten inzwischen, daß durch den unkontrollierten Besucheransturm die reiche Artenvielfalt in dem kleinen zentralamerikanischen Land zunehmend gefährdet ist.

Zum ersten Mal in der Geschichte Costa Ricas ist der Fremdenverkehr in diesem Jahr zur wichtigsten Devisenquelle herangewachsen: Bis September flossen bereits 379 Millionen US- Dollar in die Staatskasse. Die sogenannte Schweiz Lateinamerikas gesellt sich damit zu Touristen-Hochburgen wie Spanien, Bahamas und Dominikanische Republik.

Wie Luis Manuel Chacon, Geschäftsführer des Costaricanischen Instituts für Tourismus, stolz verkündet, rechnet der nur wenig mehr als drei Millionen Einwohner zählende Staat bis Jahresende mit über 700.000 Besuchern und Einnahmen in Höhe von 526 Millionen Dollar.

Offiziellen Schätzungen zufolge wird sich die Tourismusindustrie, die von der Regierung gefördert wird, auch künftig in stetem Aufwind befinden. Zwischen 1987 und 1992 sind die Devisenerträge in diesem Sektor um jährlich 25 Prozent von ehemals 136,3 Millionen Dollar auf 431 Millionen Dollar angestiegen.

Durch diese verlockenden Perspektiven motiviert, plant die Regierung in San José, bis 1998 mindestens 1,2 Millionen Touristen durch das Land zu schleusen. Bei geschätzten Einnahmen von 1,2 Milliarden Dollar könnten gleichzeitig Arbeitsplätze für 225.000 Costaricaner geschaffen werden.

Umweltschützer warnen vor einem wilden Wachstum, das sich auf hohe ausländische Investitionen konzentriert. Es könnte nicht nur ein baldiges Ende des Fremdenverkehrs einläuten, sondern zudem schwere Schäden für die Flora und Fauna des zentralamerikanischen Staates zur Folge haben.

Derzeit existieren Pläne für den Bau von sieben Hotels mit 125 bis 500 Zimmern, die an den schönsten Stränden des Landes entstehen sollen.

Nach Ansicht des Biologen Gabriel Rivas sind die Auswüchse der Tourismusarchitektur an der spanischen Mittelmeerküste und in einigen mexikanischen Hafenstädten der beste Beweis für eine Schädigung der Umwelt. Auch die Besucher würden dann langsam aber sicher ausbleiben.

Rivas beklagt den Mangel an Planung im Fremdenverkehrsbereich und damit verbundene Probleme wie Abfallbeseitigung, Gewässerreinigung und Gefährdung von Schutzreservaten. Die Costaricanische Kommission für Menschenrechte (Codehu) warnt ebenfalls vor wachsenden Müllbergen an Stränden und in Nationalparks sowie vor der Waldvernichtung und Zerstörung von Mangrovenvorkommen.

Der Touristenboom in Costa Rica erkläre sich gerade aus den Bemühungen im ökologischen Bereich, kontert hingegen Rodrigo Carazo, ehemaliger Staatspräsident von 1978 bis 1982 und seitdem selbst Hotelier. Eine kohärente Politik zum Schutz und Erhalt der Ressourcen sei deshalb unabdingbar.

Die Naturschönheiten sind der Hauptanziehungspunkt für Urlauber in Costa Rica. Allein 1992 wurden die fast 1.000 Schutzgebiete von etwa 300.000 Menschen besichtigt.

Für die Umwelt keine Gefahr, meint Carazo. Wenn die Natur hier die Einnahmen beschere, würde sie auch nicht zerstört werden. „Der Tourismus erlaubt es uns, einen Baum tausendmal zu verkaufen. Andernfalls würde er abgehackt und nur einmal an den Mann gebracht.“

Auch Cecilia Sanchez, Leiterin der Planungsabteilung des costaricanischen Tourismusinstituts, bekräftigt, daß nur dann grünes Licht für Projekte in der Reisebranche gegeben werde, wenn vorher eine Umweltverträglichkeitsstudie vorliege. Das Institut strebe an, Tourismus-Patente an die beteiligten Unternehmen zu verteilen, um die Entwicklung des Sektors besser unter Kontrolle zu halten. Carolina Carazo/Bert Wilkinson