Verseuchtes Blut bewußt verkauft?

■ Angestellte der Koblenzer Firma UB Plasma informierte schon 1986 Gewerbeaufsichtsamt

Mainz/Koblenz (dpa/AP) – Die Koblenzer Firma UB Plasma soll nach Aussage einer Beschäftigten bewußt Blutprodukte verkauft haben, die mit Aids-Erregern verunreinigt waren. Dies geht aus vier bis fünf Aktenvermerken der Gewerbeaufsicht hervor, wie der rheinland-pfälzische Sozialminister Ullrich Galle (SPD) gestern mitteilte.

Die Labormitarbeiterin hatte sich im Dezember 1986 wegen einer Frage zur Schwangerschaft an die Behörde gewandt und dabei beiläufig erwähnt, daß das Unternehmen positiv getestete Produkte in den Verkehr bringe. Da die Gewerbeaufsicht nicht zuständig sei, habe sie den Verdacht an die Bezirksregierung und das Medizinaluntersuchungsamt in Koblenz weitergeleitet. Nach einer Betriebsbesichtigung sei die Spur offenbar im Sande verlaufen. Der Grund sei nicht bekannt. Galle hat den Regierungspräsidenten um Vorermittlungen gegen Mitarbeiter der Bezirksregierung gebeten. Hier und bei der Staatsanwaltschaft gab es zunächst keine Stellungnahme. Die Gewerbeaufsicht bestätigte den Hinweis auf aidsverseuchtes Blut.

Die Firma UB Plasma wurde in der vergangenen Woche geschlossen, vier Mitarbeiter befinden sich mittlerweile in Untersuchungshaft. Das Ermittlungsverfahren gegen den inhaftierten Geschäftsführer der Firma, Ulrich Kleist, wurde inzwischen auf den Vorwurf der verspäteten Konkursanmeldung ausgedehnt, wie der Leiter der Staatsanwaltschaft Koblenz, Norbert Weise, am Mittwoch auf Anfrage erklärte. Neben Kleist sitzen auch sein Assistent und ein Laborarzt der Firma in Untersuchungshaft. Auch gegen den festgenommenen Kontrolleiter erging inzwischen Haftbefehl.

Nach Weises Worten hat sich damit der Verdacht erhärtet, daß UB-Plasma aus Kostengründen an den notwendigen Aids- Tests gespart habe. Das Wiesbadener Unternehmen Abbott Diagnostic Products, das den Standardtest für HIV-Erreger herstelle, habe in der jüngsten Vergangenheit Testeinheiten nur noch gegen bar geliefert und die Lieferung schließlich ganz eingestellt, da Rechnungen von UB-Plasma nicht bezahlt worden seien.

Das Koblenzer Unternehmen soll regelmäßig Proben mehrerer Blutspenden zu einem sogenannten Pool gemischt und erst dann auf Aids-Viren getestet haben. Unmittelbar vor der Schließung der Firma sei UB-Plasma den Ermittlungen zufolge schließlich auf einen Farbtest umgestiegen, bei dem das Ergebnis nur mit dem bloßen Auge kontrolliert wird.

Gesundheitsminister Horst Seehofer kündigte gestern an, der Haushaltsausschuß des Bundestages werde nächsten Donnerstag über einen Soforthilfefonds zur Entschädigung von durch Blutprodukte an Aids erkrankten Blutern entscheiden. Gleichzeitig ließ er die Absicht erkennen, die Überwachung von Arzneimitteln aus Blut künftig dem Bundesamt für Sera und Impfstoffe zu unterstellen. Berichte Seite 4, Kommentare Seite 10