: „Schon vor 20 Jahren gemacht“
■ Vibraphonist Roy Ayers über die Verbindung von Jazz und HipHop bei Jazzmatazz
„Ich hatte keinen Schimmer wer Guru war, bis mir mein Sohn einige Platten vorgespielt hat.“ Dabei hätte Roy Ayers ihn kennen müssen, denn Guru samplete mit Gang Starr als erster statt James Brown Dizzy Gillespie und verfertigte mit dem Saxophonisten Brandford Marsalis „Jazz Thing“, die Hymne für das Jazz-Hop-Ding.
Ein Jahr später findet sich der 53jährige Vibraphonist zusammen mit dem 61jährigen Trompeter Donald Byrd im Jazzmatazz-Tourbus auf der Autobahn Richtung Hamburg wieder. „Immer wenn wir beiden Opas auf der Fahrt eingenickt sind, hat mir Guru etwas wie 'You know Roy Ayers, he's got no more hairs' in's Ohr gerappt“, beschreibt er den laxen Umgang mit den ergrauten Legenden. Auf der Bühne des Jazzport-Zelts standen dann zwei schläfrige, von ihren kurzen Einlagen sichtlich unterforderte Jazz-Opas, dem jugendlichen Publikum via Piratentuch respektive Baseball-Mütze näherkommend.
„Guru hat sehr lange gebraucht, um sich seinem eigenen Vater anzunähern“, weiß der Psychologe Ayers. „Deshalb interessiert er sich dafür, mit der Vatergeneration zu spielen und wichtigen Musikern, wie Donald Byrd und Lonnie Liston Smith endlich zu ihrer Bedeutung zu verhelfen.“
In diesem Monat wird der Organist Lonnie Liston Smith die Rolle des Vaters besetzen. Wenn nicht, wie im Frühjahr, unfreiwillige Feedbacks und ein aufgedrehter Guru etwas Mißklang auf die Bühne bringen, wird auf dem Paket weiterhin das frühe Verfallsdatum von Pop kleben. „Irgendwie ist er für das erste Album“, mäkelt auch Ayers „eine zu kommerzielle Schiene gefahren.“ Auch ein neues Experiment zwischen HipHop und Jazz können HipHop-Traditionalisten nicht ausmachen, denn HipHop mit musikalischen Bruchstücken aus Dat-Recorder und Mischpult kommt der Arbeitsweise von Jazz näher als Jazzmatazz. Weil das Sampeln im HipHop „Vertrautes aus dem Zusammenhang reißt“, fühlt sich David Toop in dem Standardwerk „Rap Attack“ an die BeBop-Ära erinnert als Charlie Parker - wie heuer HipHop - bekannte Melodien in Einzelteile zerlegte. Darüberhinaus zeigt HipHop eine ebenso hohe Permeabilität für andere Musikstile wie Jazz. Im zarten Alter von 13 Jahren hat HipHop schon zahlreiche Partner in Ehen, Beziehungen und Flirts verbraucht (Soul, Funk, Metal, Doo Wop, Blues, Pop...).
Schon strukturell sind HipHop und Jazz Blutsbrüder. Die Revitalisierung, die Leib- und Live-Haftigkeit der alten Helden, die uns Guru als „experimentelle Verbindung von HipHop und Jazz“ andrehen will ist deshalb eher ein Schritt zurück als nach vorne. „Für Guru war das vielleicht noch ein Experiment“, räumt Ayers ein. „Schlaffen Jazz-Funk mit Stimmen habe ich schon vor 20 Jahren gemacht.“
Volker Marquardt
15.11., Große Freiheit
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