Von der Arroganz der westlichen Hilfe

■ Konversion, oder: Zwei Tage „Training on the job“ für osteuropäische Volksvertreter

Insbesondere um den „Dialog zwischen Parlamentariern aus den Bündnisländern der NATO und ihren Kollegen aus den jungen Demokratien Mittel- und Osteuropas“ zu fördern, tagte in Bremen ein Rose-Roth-Seminar der Nordatlantischen Versammlung, des Zusammenschlusses der Nato-Parlamentarier. Rüstungskonversion sollte das Thema sein (vgl. taz 4.11.), “Training on the job“ für die Osteuropäer nannte das der Vorsitzende der Vereinigung, der Hamburger CDU-Parlamentarier Francke. Vize-Chef Volker Kröning hatte die Tagung nach Bremen geholt.

Was unter der feinen Etikette der Rathaus-Bediensteten undmit mehrsprachiger Übersetzung zwei Tage lang stattfand, machte deutlich, wie traurig es um diesen „Dialog“ steht. Keiner der osteuropäischen Partner war als Referent geladen, und so redete die Versammlung an den Problemen ihrer Gäste vollkommen vorbei. Zwar mochte es keiner der geladenen Gäste, die immer wieder um finanzielle Unterstützung baten, so deutlich sagen, aber aus ihren Nachfragen und Antworten — wenn sie doch einmal am Rande der Tagung wenigstens um ihre Meinung gebeten wurden — ging eindeutig hervor: „Konversion“ gibt es nicht östlich der alten Bundesrepublik.

So wie in der DDR die Rüstungsproduktion schlicht gestoppt wurde, hat auch die Regierung in Prag die Rüstungsbetriebe der Slowakei von einem Tag auf den anderen stillgelegt, berichtete der Abgeordnete Hrnko. Waffenschmieden mit bis zu 100.000 Beschäftigten haben

Eine Konversion findet nicht statt.Foto: NATO

in der Ukraine Kurz- und Mittelstreckenraketen hergestellt, erzählte Boris Bazilewski — diese Betriebe sind so weder zu privatisieren noch mit anderen Produken zu betrauen. In der Versammlung wurde viel davon geredet, daß die westlichen Firmen ihr Konversions-Know-How doch im Osten anbieten — sprich: verkaufen — könnten. Daraufhin fragte ein polnischer Gast höflich an, wer denn das bezahlen solle — und wer die Produkte anschließend kauft.

Aber anstatt auch nur den Versuch zu machen, die Problemlage in den osteuropäischen Ländern ernst zu nehmen, redeten die westeuropäischen Parlamentarier über ihre Probleme der Abrüstung und der Umsteuerung der High-Tech-Zentren der Rüstungsproduktion. Im Zentrum ihres Interesses stand immer wieder die Frage, wer mit wieviel Geld wo subvenioniert. Die Bundesregierung nennt es zum Beispiel „Konversion“, wenn sie mit Milliardenaufwand ökologische Probleme auf früheren ostdeutschen Militär-Liegenschaften angeht.

Aus Bremen hatte gestern der Vorstandsvorsitzende der Atlas- Elektronik-GmbH (AE), Prof. Triebold, das Wort. Er gestand ein, daß sein Werk lange Jahre das Thema Konversion abgetan habe und sich erst seit kurzem —

hier bitte

das Kriegsschiff

unter dem Druck ausbleibender Rüstungsaufträge — darum bemüht. Programm ist die Konversion dennoch nicht; im Zentrum des Interesses der AE steht weiterhin, von der Bundesregierung Planungssicherheit für ihre wehrtechnischen Projekte zu bekommen. An der Ausrüstung von Marineschiffen hat die zum Vulkan gehörende AE einen wichtigen Anteil. Immer noch spekuliert AE zudem auf den Taiwan- Militärauftrag, der bisher an der chinaorientierten Ostasien-Politik des Außenministeriums gescheitert ist. Selbst erfolgreiche Konversions-Projekte wie das Satelliten-Telephon oder Fahrzeug- Simulatoren haben nur geringen Anteil am Umsatz der AE und einen noch geringeren am Gewinn. Dasselbe konstatierte IG- Metall-Bezirksleiter Teichmüller für das DASA-Werk Lemwerder: Für die Ertragslage spielt der Tornado-Auftrag die entscheidende Rolle.

Triebold erläuterte, warum militärisch orientierte Unternehmen sich so schwer tun, auf zivile Produkte umzustellen. Teilweise ist die Technologie nur auf Qualität abgestellt, nicht auf Kosteneinsatz; zum anderen gibt es viel Entwicklungskapazitäten, aber keine Massenfertigung. Schließlich ist die Marketing-Abteilung ganz auf die Beeinflussung des Bundesamtes für Wehrtechnik

orientiert und nicht auf private Kunden am Markt. Triebold propagiert eine „Strategische Initiative Umweltschutz“ als staatliches Investitionspogramm. Dies wäre eine Fortsetzung der aus dem militärischen Sektor bekannten Auftragssituation mit denselben Mitteln, aber einem anderen Ziel.

Die Rüstungsstrategie, stellte Gastgeber Kröning auf der abschließenden Pressekonferenz fest, hat in eine Sackgasse geführt: Die Länder, die auf die Stärkung der zivil nutzbaren Technologien gesetzt haben, waren erfolgreicher. Der Weg aus der Rüstungsproduktion wird auch im Westen zu einem guten Teil über Arbeitsplatzabbau passieren — vielleicht über Jahre gestreckt und daher nicht so drastisch sichtbar wie im Osten. Aber auch das hat den Gästen aus Osteuropa niemand offen gesagt. Stattdessen wird ihnen nun — dank der geknüpften Kontakte — westliche Konversions- Hilfe der EG angeboten. Diese Konversonshilfe beschäftigt sicherlich in erster Linie die westlichen Firmen, ein bißchen fällt aber auch für die osteuropäischen Partner ab. Deshalb werden sie sie dankend annehmen und dabei so höflich lächeln wie während dieser zwei Tage im Bremer Rathaus.

Klaus Wolschner