Durchs Dröhnland
: Eben Bowie. Eben.

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Vielleicht ist die Zeit nun doch reif für eine Band wie Outskirts of Infinity, deren größtes Plaisier es ist, das Wah-Wah-Pedal zu treten, ihre Songs mit Vogelgezwitscher einzuleiten oder auch schon mal ein bißchen Raga in dieses zähflüssige Etwas zu mixen, das sie selbst wahrscheinlich Rock nennen.

Um etwas Geld nebenbei zu verdienen, tun zwei auch schon mal bei Bevis Frond mit, weil dort Gründungsmitglied Nick Saloman inzwischen hauptberuflich tätig ist. Das können sie sich möglicherweise bald sparen, wenn die Hosenbeine noch weiter werden und das Trio aus England, deren Cream-Plattensammlung nicht nur aus jedem Ton räucherstäbchenqualmt, sondern auch in einschlägigen Coverversionen ihren Niederschlag findet, sich vielleicht am rechten Ort zur rechten Zeit befindet. Für modernes (oder älteres, je nach Standpunkt) zuständig dann noch Waltari, jene finnischen Hoppel- Hardcoreler, die diesmal allerdings ausgezogen sind, die Welt nahezu ausschließlich mit Coverversionen zu beehren. Dabei spannt sich der Bogen von den Stones über Metallica, Madonna und die Beatles bis zu heimatlichen Helden wie Tasavallan Presidentti oder Pelle Miljoona. Höhepunkt allerdings – jedenfalls für eingefleischte Freunde des stumpfrockenden Frohsinns – werden wohl die Cowgirls, jene Combo, die natürlich ausschließlich aus Männern besteht und von der Erfindung des Rhythmuswechsels bestenfalls aus der Zeitung erfahren hat. Dort stand zwar auch, daß man ab und an auch langsam spielen kann, aber da haben sie verständnislos lachend nur den Kopf geschüttelt.

Am 5.11. um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Kreuzberg

Die Dog Faced Hermans bewegen sich fast gewollt symmetrisch in der Mitte dessen, was klassischerweise als politisch korrekte Musik wohl machbar ist. Genau zwischen Punkrock und intelligentem Tanzbodenpop. Bei den Hermans repräsentieren diese beiden Pole zwei direkte persönliche Einflüsse: Die in Schottland gegründete Kapelle tourte mit Chumbawamba, bevor sie nach Amsterdam umzog, um dort in den Dunstkreis um die Besetzer-Kult-Kapelle The Ex abzutauchen. Von The Ex haben sie die etwas rüde Rhythmik, von Chumbawamba die überraschenden Einsprengsel, die allerdings bei den Hermans nicht gesamplet, sondern ganz konservativ handgemacht sind. Von beiden könnten die sloganartig hervorgestoßenen Texte sein, die persönliches Leid, die Liebe und das Leben überhaupt schön kryptisch mit dem öffentlichen und dem politischen verschränken.

Am 6.11. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Seit Run Run Vanguard das Zeitliche gesegnet haben, stehen den Massen an örtlichen Gothics verhältnismäßig wenige lokale Bands gegenüber. Immerhin gibt es noch Infamis, die – wie originell – im Info aus Baudelaires „Blumen des Bösen“ zitieren und – noch origineller – den hektisch stampfenden Dark Metal wie aus den Anfangszeiten der Sisters of Mercy nachspielen. Das zugegebenermaßen aber sehr versiert und auch mit leidlichem Gänsehautfaktor.

Am 7.11. um 19 Uhr mit Non Ego im Allendeclub, Pablo-Neruda-Straße 4, Köpenick

Doch immer wieder schön, alte Bekannte wiederzutreffen. Vor allem, wenn sie sich ganz eindeutig zum Besseren hin entwickelt haben. Die Rattle Rats haben nach jahrelangem Üben vor Publikum endlich die satt punkende Reife ihrer Vorbilder erreicht. Und das ist jede Punkband, die noch schlichte Zwei-Minuten- Hits schreiben und so spielen konnte, daß einem vor lauter Hektik die mühsam ondulierten Dreadlocks zu Berge standen. Roh, unbehauen, ohne dabei dilettantisch zu sein. Vier KreuzbergerInnen auf dem Weg zum wahren, reinen Punkrock – wenn auch 15 Jahre zu spät.

Am 6.11. um 22 Uhr im Rote Insel, Mansteinstraße 10, Schöneberg

Früher einmal waren sie einfach nur schön. Die langen Locken wehten immer frisch gewaschen, die noch längeren karierten Hemden wehten auch, und die Songs taten das überaus harmlos ebenso. Die feuchten Träume pubertierender Teenager, die The Wonder Stuff zum Inhalt hatten, dürften ungezählt bleiben und hatten regelmäßige Plazierungen im Mittelfeld der Charts zur Folge, aber für den Uefa-Cup-Platz reichte es nur selten. Und dann plötzlich das. Für ihre Verhältnisse geradezu morbide klingt die neue Platte „Construction For The Modern Idiot“, fast schon hardrockend. Aber so schlagartig ändern sich Menschen dann doch nicht, und Wonder Stuff pflegen immer noch vor allem lustvoll die massenkompatible Melodie. Erst, wenn auch noch die Haare fallen, dann werden sie vielleicht wirklich gefährlich.

Am 7.11. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Das Vorurteil, daß Metal nur was für besonders Doofe sei, dürfte inzwischen hoffentlich völlig ausgerottet sein. Dazu brauchte es aber erst mal solche Bands wie Scäm Luiz, deutsches Pendant zu vor allem englischen Vorzeige-Klassik-Rockern. Das Bremer Trio, das allerdings nur ein originales Nordlicht in seinen Reihen hat, versetzt seinen schon fast pervers professionell gespielten Hardrock mit so gut wie jeder Klangfarbe, die die Musikhistorie im Angebot hat. Mal Soul, mal Lateinamerikanisches, mal schlichten Pop oder sogar Industrial-Gitarren. So anspruchsvoll, daß es einem zwar manchmal in den Gehirnwindungen staubt, aber eben nicht doof.

Am 8.11. mit Pink Cream 69 in Huxley's Neuer Welt

Blur schrammten Anfang des Jahrzehnts gerade passend in die Rave-O-Lution, und ebenso plötzlich wie jede englische Band damals Rave spielte, haben sie sich jetzt mit ihrem zweitem Album auch schon wieder davon verabschiedet. Im Grunde waren Blur aber auch nie so richtig Rave, zwar hin und wieder recht rhythmusbetont, aber doch vor allem unenglisch mit schön verzerrten Gitarren, so was wie Kindergartenpsychedelia. Jetzt haben sie endlich richtig Pop entdeckt, und „Modern Life Is Rubbish“ hat nicht nur den Titel eines Konzeptalbums, hat nicht nur die Covergestaltung eines Konzeptalbums und den systematischen Aufbau, sondern klingt auch so. Wie ein halbes Dutzend Popbands, beginnend in den Siebzigern mit der Space-Phase des frühen Bowie bis heute, nur notdürftig zusammengehalten durch des Sängers Stimme, die schwankt zwischen markant und dem großen Vorbild – eben Bowie. Eben.

Am 11.11. um 20.30 Uhr im Loft

Thomas Winkler