Scientology-Sekte umwirbt Kinofans

■ Seit Monaten werden in Berliner Kinos Werbespots der dubiosen Scientology-Church gezeigt / Betreiber ahnungslos

Bernhard J. hatte sich auf einen schönen Kinoabend gefreut, aber was er am Mittwoch dieser Woche zu sehen bekam, verursachte ihm „Magenschmerzen“, noch bevor das „Hochzeitsbankett“ überhaupt begonnen hatte. Auf der Leinwand des „Broadway“ prangte der knallig-bunte Umschlag von Ron L. Hubbards Buch „Dianetik“, ein paar Sekunden später sah man den „Dianetik- Bookshop“ in der Berliner Straße, und eine kräftige Männerstimme lud die Zuschauer ein: „Sie finden uns in unserem Dianetik-Zentrum in Friedenau.“ Ein Werbespot der Scientology-Sekte. Ein Spot, der nach Recherchen der taz so schon seit Monaten in Kinos läuft.

Die von Hubbard gegründete Scientology ist laut Ralf-Dieter Mucha, Vorsitzender der Düsseldorfer Aktion Psychokultverfahren, „weit mehr als eine Glaubensgemeinschaft“. Die Scientologen hielten sich für eine geistige Elite, die die Macht in Staat und Wirtschaft ergreifen will. Mögliche neue Jünger locken sie in Kurse, die Fachleute als „Gehirnwäsche“ bezeichnen. Der Kinospot, sagt Ina Kunst, Mitarbeiterin des Jugendsenators, diene eindeutig dem Kundenfang: „Wenn ich mal in dem Scientology-Buchladen stehe, lasse ich mich eher beschwatzen, auch Kurse zu machen.“ Eine „perfide Methode“ sieht Kinobesucher Bernhard J. in dem Vorgehen der Sekte: „In dem Spot kommt das Wort ,Scientology‘ nicht vor.“ Anderen Zuschauern sei überhaupt nicht aufgefallen, mit wem sie es zu tun hatten.

Die Werbung kommt von den Werbeagenturen „Relita“ und „Tolirag“, zwei Schwesterfirmen, die rund 40 Berliner Kinos mit vorproduzierten Spots beliefern. Die Kinobetreiber übernehmen die Spots meist unbesehen. Manfred Raasch, Prokurist der „Tolirag“, kann nichts Schlimmes daran finden, daß seine Agentur den Scientology-Spot im Programm hat: „Wir sind doch keine Zensoren.“ Man könne nicht alles mit Verboten regeln, und zudem sei die ganze Sache doch von der Publikumswirkung her „ein extremer Banalfall, ein Klacks: Jeder Pizzabäcker macht mehr Werbung.“ Seine Firma, sagt Raasch, habe den Spot zudem von einer anderen Agentur geliefert bekommen, deren Namen er aber nicht nennen wolle.

Solange möchte Günther Hohl, Mitarbeiter der Yorck-Kino- GmbH, nicht warten. Seiner Gesellschaft gehört das Broadway. Der Spot sei ihnen leider „durchgerutscht“. Hohn sagt, er selbst habe erst gestern davon erfahren. Jetzt wolle er alles tun, um die Agentur zu bewegen, ihn aus dem Programm zu nehmen. Ihm ist bange bei dem Gedanken „an ein Publikum, das dreimal am Tag empört aus dem Kino kommt“. Vor einigen Wochen lief der Film schon im „Cosima“ – auch ein Kino im Einzugsbereich des „Dianetik-Bookshops“. Auch das „Cosima“ hatte offenbar keine Ahnung, auf was es sich einließ. „So was kommt bei uns nicht mehr vor“, empörte sich ein Mitarbeiter gegenüber der taz. Kai Strittmatter