RAF-Verfahren auf tönernen Füßen

Juristischer Schlagabtausch um Zulässigkeit des Verfahrens bestimmte ersten Tag des Prozesses gegen Eva Haule / Anklage wegen Anschlags gegen Rhein-Main-Airbase im Sommer 1985  ■ Von Heide Platen

Bundesanwalt Klaus Pflieger reagierte am ersten Verhandlungstag gegen Eva Haule vor dem 5. Strafsenat des Frankfurter Oberlandesgerichts empfindlich. Haule hatte ihm und dem Gericht in einer Erklärung vorgeworfen: „Das Urteil steht sowieso fest. Lebenslänglich um jeden Preis.“ Eva Haule war bereits 1988 vom Oberlandesgericht Stuttgart wegen Mitgliedschaft in der Roten Armee Fraktion (RAF) zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Seit gestern steht sie vor Gericht, weil sie an dem Sprengstoffanschlag auf die Rhein-Main-Airbase der US- Army am 8.August 1985 beteiligt gewesen sein soll. Die Täter hatten sich mit dem Ausweis des Soldaten Edward Pimental Zugang zu dem Gelände verschafft und dort ein mit 240 Kilogramm Sprengstoff beladenes Auto abgestellt, das um 7.19 Uhr explodierte, zwei Menschen tötete und mehrere schwer verletzte. Pimental war in der Nacht zuvor erschossen worden.

Die Rechtsanwälte Klusmeyer und Kutsch forderten die Einstellung des Verfahrens. Zum einen, so Klusmeyer, sei der Kampf der RAF, und insbesondere der Anschlag auf die Militärbasis, nach der Genfer Menschenrechtskonvention durch das „legitime Widerstandsrecht“ gegen „die imperialistischen Kriege“ der USA gedeckt. Zum anderen erläuterte er gründlich den juristischen Begriff des „Strafklageverbrauchs“. Haule sei 1988 in Stuttgart pauschal für ihre Mitgliedschaft seit Februar 1984, und damit für ihre Mitverantwortung an Straftaten der RAF, verurteilt worden. Darin sei auch das Attentat in Frankfurt enthalten gewesen, das in Stuttgart bereits mit fast allen heute vorliegenden Beweismitteln bekannt gewesen sei. Sie könne deshalb nicht „doppelt“ für diese Einzelstraftat verurteilt werden. Dem widersprach Bundesanwalt Pflieger. Er kenne Eva Haule seit einer ersten Festnahme 1982. Damals hätte er ihr die Beteiligung an Brandanschlägen nicht nachweisen können: „Und ich habe sie wieder freigelassen.“ Als er dann den Brandanschlag der Neonazis von Mölln zum Beweis für das nicht geltende Widerstandsrecht der RAF heranzog, ließ Haule sich vorübergehend ausschließen. Nach einer Pause hörte sie, wie Pflieger vermutete, „doch mit halben Ohr zu“, als er seine Ausführungen wiederholte. Er sei „verwundert“, daß Eva Haule nichts zu dem Attentat und der Ermordung von Pimental aussage, weil sie „doch sonst immer versucht, für Gerechtigkeit zu sorgen“. Die Tat sei schließlich „auch in der Linken extrem“ kontrovers diskutiert worden. Man habe gegen Eva Haule auch wegen der Ermordung des Managers Beckurts ermittelt, dort reichten aber die Beweismittel „noch nicht aus“.

Rechtsanwalt Kutsch wandte sich gegen die materiellen Grundlagen des Verfahrens. Es sei für die Anklage an neuen Beweismitteln seit 1988 nichts hinzugekommen als zwei 1990 beschlagnahmte Briefe, die sich mit dem Attentat auseinandersetzen und RAF-bezogen in der Wir-Form verfaßt sind. Dies reiche für eine Verurteilung, zumal für eine nochmalige, nicht aus.

Haule setzte sich in ihrer Erklärung für die sofortige Freilassung der RAF-Gefangenen Ali Jansen und Irmgard Möller ein. Sie nahm Bezug auf die aktuelle Kontroverse zwischen RAF-Gefangenen untereinander und „Illegalen“ im Untergrund (taz 29., 30.10. und 1.11. 1993). Sie wolle nicht mehr, daß „die RAF“ sich mit „ihren entpolitisierten Aktionen“ auf die Gefangenen beziehe. Sie warf außerdem anderen Gefangenen vor, sie drohten „Staat und Wirtschaft“ mit neuer Gewalt, wenn ihr deal, die Forderung nach Zusammenlegung oder Haftentlassung, nicht erfüllt würde: „Da ist dann der politische Inhalt und Sinn unseres Kampfes ganz entleert und ausgekippt.“ Sie bestehe auf einer klaren Trennung zwischen „der RAF“ und „den Gefangenen“. Die Illegalen könnten „unbeschadet von uns weitermachen“, aber „ihre Aktionen nicht mit uns begründen“.