: Hehlerware Tagespflegecreme
■ Prozeß gegen Rindfleisch- und Saxophondieb / Absatzmarkt Steintor
Augenpflegemittel, Tagespflegecreme und ein Aktivserum — derartige Ausbeute hatte Reiner K. auf insgesamt 16 Diebeszügen zu verzeichnen, wegen derer er sich gestern vor dem Bremer Schöffengericht zu verantworten hatte. „Was wollten sie damit machen“, fragte Richter Hans-Joachim Gerboth verwundert. „Ich hätte das verkauft.“ „Wo speziell?“ „Da gibt es nichts Spezielles“, antwortete Reiner K. Einige Monate später wollte Reiner K. mit argentinischem Rinderfilet unterm Pullover aus einem Supermarkt rauslaufen. Das interessierte den Richter denn doch, was er ausgerechnet mit Rinderfilet... „Verkaufen.“ „Kriegt man auf der Straße dafür Abnehmer?“ — „Ja, ich hätte das verkaufen können“.
Auch die zwei Flaschen Chevas Regal-Whiskey war er im Begriff, auf dem Steintor loszuwerden — wenn ihn die Polizei nicht erwischt hätte. „Sonst kriegt man in der Regel 20 Mark pro Flasche“, klärt Reiner K. das hohe Gericht auf. Die Parfümflaschen aus der Drogerie Rossmann wären auch irgendwo am Steintor gegen Bares eingetauscht worden. „Kann man denn ohne weiteres dort an rumlaufende Frauen sowas verkaufen?“ Die Frage des Richters schien selbst dem Angeklagten zu naiv. „Ich verkehrte in den letzten zwei Jahren auf dem Steintor. Ich hätte gewußt, wen ich da anspreche“, sagte Reiner K.
Der Richter, offenbar mit Hehlerei nicht näher vertraut, erkundigte sich nach einem weiteren Fall ganz genau: „Was hätten Sie denn mit dem Saxophon gemacht?“ „Verkauft.“ „Hätten Sie dafür einen Abnehmer gehabt?“ „Ja, ich hätte mit Sicherheit einen Abnehmer gefunden“, ja, auch dafür.
„Es gibt Hehlerei“, weiß der Polizei-Pressesprecher Ralf Pestrup. Doch die Polizei käme nur in ganz wenigen Fällen dem Handel mit geklauter Ware auf die Spur. Vor einem halben Jahr habe es zum Beipiel einen Imbiss-Besitzer am Steintor gegeben, der offenbar Hehlerware ankaufte. Doch für einen verhafteten Einbrecher gibt es keine Notwendigkeit, dem Gericht zu erläutern, wo er seine Ware losgeworden ist. „Der Nachweis nimmt sich schwierig aus, weil man im Prinzip die ganze Kette vom Diebstahl bis zum Weiterverkauf verfolgen muß“, sagt Pestrup. Und zu dieser Beweiskette gehöre die persönliche Aussage aller Beteiligten.
Ob auf dem Steintor extrem viel Hehlerei betrieben würde, konnte der Polizeipressesprecher nicht bestätigen. „Doch aus der Vergangenheit zielen viele Anlaufadressen Richtung Viertel.“ Pestrup führt diese Tatsache darauf zurück, daß es im Viertel so viele „bunte Leute“ gibt. Bei einem gemischten Publikum finden sich eher Leute, die für die zwielichtige Ware Geld ausgeben. In Gröpelingen würde das so nicht klappen, glaubt Pestrup. Er stellt sich das so vor: In einer der Nachtkneipe im Viertel kommt man so ins Gespräch. Da gibt man ein Bier aus, und dann findet sich zufällig jemand, der schon immer ein preisgünstiges Autotelefon haben wollte.
„Tendenziell läuft die Hehlerei parallel mit der ohnehin gestiegenen Kriminalitätsrate“, sagt Pestrup. Außerdem würde mit all den Waren Hehlerei betrieben, die auch auf dem legalen Markt gefragte Objekte seien. „So wie es einen Markt im Warenhauskatalog der Kaufhäuser gibt, existiert er zeitversetzt ebenfalls auf dem Markt der Hehlerei.“ Der Prozeß gegen Reiner K. lehrte den ungläubigen Richter zumindest eines: „Auf dem Steintor kann man eigentlich alles verkaufen.“ Vivianne Agena
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