Keine Chance für Westler

■ Trotz Ankündigung des Schulsenators: Westberliner Schulabgänger bekommen keine Lehrstelle im Ost-Programm

Im Hauptausschuß kam es ans Licht: Das von EG, Bund und Ländern aufgelegte Sonderprogramm für ausbildungslose Jugendliche kommt weiterhin nur OstberlinerInnen zugute. Das mußte Schulsenator Jürgen Klemann (CDU) vor Abgeordneten eingestehen, obwohl er Mitte Oktober anderes bekanntgegeben hatte. Schuld daran sei ein Mißverständnis zwischen Bildungs- und Finanzministerium in Bonn, erklärte Klemanns Referent, Michael Beer, der taz. Bis gestern wußte man in der Schulverwaltung nicht, wann auch Westberliner Teens ohne Ausbildungsplatz von der sogenannten „Gemeinschaftsinitiative Lehrstellen Ost“ profitieren können.

In Berlin registrierte das Arbeitsamt zuletzt noch über 1.100 Jugendliche ohne Ausbildungsverhältnis. Bei Arbeitsamt und Gewerkschaften geht man allerdings von einer weit höheren Dunkelziffer aus. Die gemeldeten ausbildungslosen Jugendlichen stammen überwiegend aus dem Westen der Stadt: rund 900. Sie aber haben im Gegensatz zu den 237 Ostberliner SchulabgängerInnen ohne Lehrstelle keine Chance auf einen Platz in dem Programm. Diese „Gemeinschaftsinitiative Lehrstellen Ost“, von Bund, Ländern und der EG finanziert, schuf ab 1. Oktober 810 sogenannte außerbetriebliche Ausbildungsplätze. Diese decken das gesamte Berufsspektrum ab und werden meist von Freien Trägern angeboten.

Es sei eine „eklige Situation“ entstanden, so ein Beamter der Schulverwaltung: Wenn die Lehrstellen aus dem Sonderprogramm angeboten wurden, gingen die jungen Leute aus Wedding, Kreuzberg oder Schöneberg leer aus. „Eine neue Spaltung der Stadt“ im Bereich des Lehrstellenmarktes – so reagierten unisono die Verantwortlichen.

Mitte Oktober hatte Schulsenator Klemann dann verkündet, seine „beharrlichen Initiativen“ hätten zum Erfolg geführt. Klemann forderte die Jugendlichen schon für den nächsten Tag auf, „sich unverzüglich bei den für ihren Wohnsitz zuständigen Arbeitsämtern zu melden“. Auch die Westberliner fänden nun in außerbetrieblichen Ausbildungsstätten ihre Lehrstelle. Jetzt, drei Wochen später, mußte der Schulsenator vor dem Hauptausschuß widerrufen. Entgegen seiner Ankündigung bleibe das Programm für West-Jugendliche weiter verschlossen.

Für ausbildungslose Jugendliche bedeutet das eine erneute Enttäuschung. Seit April werden sie zwischen Schulen, Betrieben, Arbeitsamt und den politisch Verantwortlichen hin- und hergeschoben. Dorothee Gordon vom Landesarbeitsamt geht davon aus, daß sich inzwischen viele „irgendwelche Alternativen gesucht haben“. Das sind: höhere Schulen, Jobs oder einfach die Straße. Längst spiegelt die Arbeitsamtsstatistik nicht mehr die tatsächliche Zahl Jugendlicher wider, die noch ohne Lehrmeister sind. Deswegen, so der Referent des Schulsenators, Michael Beer, habe man die Westjugendlichen über die Öffnung der Gemeinschaftsinitiative Ost rechtzeitig informieren wollen. Sein Kollege aus der Schulverwaltung, Dieter Wittke, qualifizierte die Vergabepraxis von Lehrstellen schon vor einigen Wochen ganz anders: Ein „scheußliches Pokerspiel“ werde mit den jungen Leuten veranstaltet. cif