Schon lange Hauptthema

■ betr.: „,Papa-Kommission‘ für Gleichberechtigung in Schweden“, taz vom 27.10.93

[...] Reinhard Wolff verkennt, daß die Diskussionen um eine gerechtere Verteilung der familiären Lasten unter den Geschlechtern schon lange ein Hauptthema in Schweden ist und verschiedene Lösungsmodelle schon lange im Gespräch beziehungsweise im politischen Kampf sind. In einem Land, wo die Frauen genauso viel und oft erwerbstätig sind wie die Männer, ist es sehr vielen, auch in den liberalen und konservativen Lagern, klar, daß der Verlust an Rentenansprüchen usw. nicht überwiegend zu Lasten der Frauen gehen darf. Die Gleichstellungspolitik hat sich immer an Männer gerichtet, was auch zu vielen familienfreundlichen Reformen für Männer geführt hat.

Der jetzige liberale (!) Sozialminister – in einer konservativen Koalitionsregierung – denkt offensiv auch über verschiedene Modelle nach (u.a. der von Reinhard Wolff aufgeführten), die von den starken politischen Frauengruppen erarbeitet worden sind und deswegen politisches Gewicht haben. (Reinhard Wolff weiß sicher nicht, daß der Anspruch auf einen Sechsstundentag schon seit 1944 in der schwedischen Diskussion ist. Oder daß der Vorschlag, die Rentenansprüche mit der Partnerin, die wegen Kinderbetreuung zu Hause ist, zu teilen beziehungsweise der von ihm monierte Vorschlag von Geldtransfer sehr alte Initiativen sind?) Daß auch noch das Argument kommt, die Frauen sind selbst schuld, da sie die Väter von ihrem Papa-Urlaub fernhalten, bis hin zur Argumentation von „Polizeiverfrachtung“ zu fabulieren (hier spielen wohl deutsche Phantasien für den Verfasser eine Rolle), zeigt, aus welchem Affekt die gesellschaftspolitisch sehr interessante Diskussion dargestellt wird.

Es würde der taz gut stehen, ernsthaft die in Schweden diskutierten Vorschläge zur Sozial- und Familienpolitik in ökonomisch schwierigen Zeiten professioneller darzustellen. Soll die taz Sprachrohr für die konservativsten schwedischen Männer werden? Kaj Fölster, Leiterin der Gruppe

Frauen und Gesellschaft im Hes-

sischen Ministerium für Frauen,

Arbeit und Sozialordnung,

Darmstadt