„Margot sitzt daneben und guckt säuerlich...“

■ „Motzen pfeift aus dem 18. Loch“, taz vom 27.10.93

Cornelia Heim mag sie nicht besonders, die Golf-Investoren in Motzen. Das kann man gut verstehen. Und auch früher wurde dort schon „verpönt“, nicht nur in Motzen, sondern überall in der DDR: nämlich die Freikörperkultur. Schreibt die Autorin in einem unwichtigen Nebensatz. Woher weiß sie das? Ich unterstelle: gar nicht. Sie unterliegt einfach einer eiligen Kausalkette nach dem Muster: DDR = Diktatur, ergo Begrenzung und Reglementierung allerorten, ergo staatliche Prüderie und öffentliche Behinderung von Vergnügen, Körperlichkeit et cetera.

Das stimmt aber so nicht: FKK in der DDR war offiziell genau geregelt und wie alles vollkommen Unpolitische mit ein bißchen Ideologie unterfüttert (oder überbaut ...). Die Publikationen der entsprechenden Verbände klingen ganz und gar nicht nach vergnügter Körperlichkeit, sondern nach verkrampfter Vereinsmeierei (aber das ist im Westen ja ähnlich). Doch sie war eben keineswegs verpönt. Die Ostseeregion war beispielsweise flächendeckend mit Nacktstränden und -campingplätzen überzogen, und im VEB Tourist- Verlag erschien alle zwei Jahre (zuletzt 1989) der „FFK-Führer DDR“.

Staat und Nacktheit in der DDR. Ein weites Feld. Man könnte noch die Diskussion um Willy Sittes Monumentalbild „Arbeiter in der Sauna“ anführen, die ein wenig biederen Softsexfilmchen, mit denen das DDR-Fernsehen schon zu Zeiten seine Zuschauer erfreute, als bei uns der Bildschirm noch sauber war. Oder eine schöne Szene aus der TV- Übertragung der Berlin-750-Parade im Jahr 1987. Da zieht an der „Partei- und Staatsführung“ ein Wagen vorbei, auf dem „Berliner Badenixen“ sitzen – splitternackt. Die Bildregie schneidet – sicherlich nicht zufällig – auf Erich Honecker, der lachend aufspringt und winkt; und Margot sitzt daneben und guckt säuerlich ... [Kein Wunder, nackte Wassermänner wurden ihr ja sicher nicht geboten. d.sin]

Ich verzichte ob der Geringfügigkeit des Fauxpas auf die in diesen Spalten übliche Abokündigungsdrohung! Man könnte ihn der taz vielleicht aber doch ein bißchen übelnehmen als Zeichen einer allgemeinen Ignoranz und Klischeesicht, mit der sich der „Westen“ (zu dem die tageszeitung sich hoffentlich nicht zählt) der DDR- Alltagsgeschichte oft nähert. Lutz Meier, Kiel