„Bin Alkoholiker, fördere Karlsquell“

■ Was passiert mit Ihrer Mark, wenn sie ein sogenannter Schnorrer in die Hände bekommt und sich Geld nicht in Alkohol umwandelt, sondern in Lebensunterhalt?

Es gibt Leute, die nennen sie Schnorrer, Abzocker oder einfach Lebenskünstler – gemeint sind jene Kreaturen, die einen morgens mit einem mürrischen „Haste mal 'ne Mark?“ auf der Straße grüßen und kaum damit rechnen, daß wir ihnen eine geben. Hat sich dann tatsächlich jemand dazu bereit erklärt, seinen Geldbeutel zu lüften, investiert er entweder in einen guten Zweck oder in die nächste Weinbrandflasche des zumeist punkig angehauchten Outdoors. Was verdient jemand, der sich den halben Tag die Haxen in den Bauch steht, und was passiert mit dem Geld, wenn es nicht versoffen wird? Die taz unterhielt sich mit dem 28 Jahre alten Tommy (Name von der Redaktion geändert), der seit vier Jahren an verschiedenen Plätzen in Berlin den Beruf des „Schnorrers“ ausübt.

taz: Tommy, was verdienst du so am Tag?

Tommy: Kommt drauf an, wo ich stehe und ob ich überhaupt stehe (kichert). An manchen Tagen, wenn ich am Wittenbergplatz bin, komme ich schon mal auf sechzig Märker in ein paar Stunden, ist aber eher selten. Hängt auch vom Wetter ab.

Lebst du davon?

Kann man so sagen. Seit vier Jahren ist das sozusagen mein Beruf. Die meisten Leute haben sowieso genug Geld, da kann ich auch noch von leben. Aber reichen tut's nicht.

Wofür geht das meiste Geld drauf?

Für Alk, Tabak, was zu picken. Miete habe ich nicht, wohne immer irgendwo bei Freunden.

Was bedeutet Geld für dich?

Eigentlich nicht viel. Leute mit viel Geld haben meistens ziemlich viel Probleme. Wenn du keins hast, haste allerdings auch welche (lacht).

Hast du ein Alkoholproblem?

Weiß nicht, ich bin jedenfalls kein Alki und saufe mir keinen in der U-Bahn an. Aber wenn du hier draußen stehst, mußte ab und zu einen kippen, sonst frieren dir die Eier ab.

Hättest du gerne viel Geld?

Ich hatte mal eine ganze Menge, ist mir aber geklaut worden. Mehr Geld wäre nicht schlecht. Die Musiker, die hier draußen spielen, die machen ziemlich viel Kohle. Ich hab' mir schon mal überlegt, ob ich mir so 'n paar Bongos anschaffen soll. Hauptsache, das dröhnt. Was die spielen, ist den meisten Leuten sowieso egal. Wenn ich viel Geld hätte, würde ich erst mal in den Süden abhauen, so nach Spanien oder Afrika. Im Winter kannste Berlin doch vergessen, obwohl da mehr Kohle rüberkommt als im Sommer.

Warum?

Vielleicht, weil die Leute mehr Mitleid haben. Was ich allerdings überhaupt nicht abkann, ist, wenn da so 'ne Hausfrau mit 'nem Becher Kaffee ankommt, weil die denkt, daß ich ihr Geld sowieso nur versaufe. Wenn ich 'nen Kaffee will, dann kaufe ich mir den selber, fertig.

Klar gibt's welche, die schnorren, um hinterher alles zu versaufen, oder stecken die Knete in Haarspray für ihr Outfit. Aber das heißt ja noch lange nicht, daß das alle machen.

Vielleicht solltest du dir ein Schild umhängen: „Ich lege Ihr Geld sauber an“.

Haha. Dann müßten sich hier aber auch noch ein paar andere was einfallen lassen. „Bin Alkoholiker, fördere Karlsquell“, oder so. Interview: Christine Berger