Blauhelme hinterlassen gespaltenes Bild

UNO-Soldaten in Kambodscha: In der Stadt verhaßt, auf dem Lande geschätzt / Die Niederländer hatten Geld für Projekte, die Bangladescher nützliche Ideen – aber die Bulgaren ...  ■ Aus Phnom Penh Robin Davies

Zwanzig Monate nach Beginn der Friedensmission in Kambodscha packen die MitarbeiterInnen der UNO-Übergangsverwaltung (Untac) ihre Koffer. 22.000 Blauhelme und Zivilpersonal haben dafür gesorgt, daß die Mehrheit der KambodschanerInnen sich ein Parlament wählen konnte. Das südostasiatische Land hat jetzt eine neue Verfassung und eine eigene Regierung. Die Untac hat, so heißt es, ihre Aufgabe im wesentlichen erfüllt. Bis Ende November sollen die letzten Blauhelm-Kontingente das Land verlassen.

Das Bild und die Erinnerung, die die UNO-Soldaten bei der kambodschanischen Bevölkerung hinterlassen, ist sehr gespalten: In den Städten ist es überwiegend schlecht – viele ihrer BewohnerInnen haben kein gutes Wort für die Untac-Militärs übrig. Aber auf dem Lande ist das völlig anders. Das liegt nicht nur an der deutlichen Anwesenheit bei der Vorbereitung der Wahlen vom Mai und dem Gefühl des Schutzes, das die Soldaten bei der Abstimmung vermittelten. Vor allem haben sich die Blauhelme in den Provinzen nicht auf rein militärische Aufgaben beschränkt, sondern sich an zivilen Hilfsaktionen beteiligt. Und das unterscheidet die kambodschanische Friedensmission der Blauhelme von allen bisherigen UNO- Einsätzen.

Allerdings war dies nicht von Anfang an so: Zumindest im UNO-Hauptquartier herrschte die Ansicht vor, daß die UNO-Soldaten keine zivile Rolle zu spielen hätten – eine Haltung, die auch von den internationalen Hilfsorganisationen geteilt wurde. Der zum Chef der Blauhelme in Kambodscha berufene Australier John Sanderson jedoch sah das anders: Er forderte ein spezifisches Mandat für den Einsatz der UNO-Soldaten in Kambodscha, das auch zivile Aktivitäten miteinschließt, und ein eigenes Budget für diese Projekte.

Die UNO in New York blieb bei ihrem kategorischen Nein. Schließlich sei die „Wiederaufbau“-Abteilung der UNO-Übergangsverwaltung in Kambodscha dafür zuständig, Mittel für Hilfsprojekte zu besorgen. Was in der Praxis bedeutete: Jeder Finanzierungsantrag mußte in New York bewilligt werden – mit allen bürokratischen und zeitraubenden Formalitäten. Aber die Militärkontingente der Untac würden notwendigerweise in Teilen des Landes stationiert werden, wo die Leute anfänglich kaum oder gar nicht wußten, warum und zu welchem Zweck die Soldaten da waren. Wenn also das Militär die gegnerischen Kriegsparteien zusammenbringen wollte, dann war es auf die Unterstützung der lokalen Bevölkerung angewiesen.

Sanderson wies daher die Blauhelme an, ihre Fähigkeiten zugunsten der lokalen Bevölkerung einzusetzen, sei es durch technische Hilfeleistungen oder medizinische Betreuung – und soweit es ihrer Hauptaufgabe nicht im Wege stand. Offiziell aber wurde erst am 1. März 1993 – ein Jahr nach Beginn des Blauhelm-Einsatzes – eine kleine Civic Action-Gruppe innerhalb der unterschiedlichen Militärbereiche etabliert. Zwar blieb die Finanzierung von Hilfsprojekten ein Problem, doch die Blauhelme versuchten von anderen Untac-Abteilungen und aus allen möglichen Quellen Geld aufzutreiben.

Die Kommandeure jedes militärischen Sektors erhielten die Anweisung, einen Offizier als Civic Action-Koordinator zu nominieren. Jedes Team wurde angewiesen, ein spezielles lokales Projekt zu betreuen. Allgemeine Richtlinien wurden festgelegt: Die Projekte sollten der zu unterstützenden Gemeinde direkt zugute kommen, sie sollten so viele Bewohner der Region wie möglich einbeziehen, und sie sollten vor dem Ende der UNO-Mission angelaufen sein. Um eine Fortführung begonnener Projekte nach Abzug der Untac zu gewährleisten, sollte die Mitarbeit einer Hilfsorganisation gewonnen werden.

Daß die Ergebnisse dann sehr ungleich ausfielen, lag vor allem an den ganz unterschiedlichen finanziellen Ressourcen der jeweiligen UNO-Bataillone und verschiedenen Vorstellungen darüber, was „zivile Maßnahmen“ eigentlich bedeuteten.

Über das meiste Geld verfügten die Niederländer: 500.000 US-Dollar aus dem Entwicklungsetat ihres Landes. So konnten sie Schulen und Hospitäler bauen oder renovieren, Brunnen bohren, Wasserreservoirs ausheben und ein Malaria-Vorbeugungs-Programm etablieren. Auch die Franzosen hatten das Glück, von französischen Nichtregierungsorganisationen (NGO) beträchtliche Summen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Dazu bekamen sie Medikamente von ihrer Regierung und Gelder zur Unterstützung von Projekten der Flüchtlingsorganisation UNHCR und des Kinderhilfswerkes Unicef. Sie engagierten sich vor allem im Wiederaufbau der Infrastruktur.

Auch die Indonesier und Inder erhielten materielle Unterstützung von ihren Regierungen und halfen unter anderem bei der Renovierung von Pagoden und durch medizinische Betreuung.

Andere Kontingente, wie die Bangladescher, mußten sich weitgehend auf ihre eigenen Kräfte verlassen – und waren doch nicht weniger engagiert. Sie konzentrierten sich auf Projekte, die wenig kosteten und die in ihrem eigenen Land erfolgreich angewendet werden. Dazu zählten Hygieneprogramme und landwirtschaftliche Anbaumethoden ebenso wie die Reinigung der Stadt Siem Reap. In geringerem Umfang halfen auch die Malaysier, insbesondere bei medizinischer Betreuung und Hilfe. Die Japaner taten nicht viel mehr, als Spielzeug, Papier und Stifte einem Waisenhaus in Takeo zu schenken. Und dann waren da noch die Bulgaren, deren Mangel an Einsatz – wenn man einmal gewisse Aktivitäten im Zusammenhang mit dem weiblichen Geschlecht außer acht läßt – berüchtigt war.

Alles übrige spielte sich in und um die Hauptstadt Phnom Penh ab: Die hier stationierten Ghanaer und Indonesier halfen vor allem den Mitarbeitern der NGO durch Unterstützung bei Transporten. Davon jedoch spürte die lokale Bevölkerung nichts. Statt dessen wandelte sich hier das anfänglich geradezu euphorische Willkommen bald zu heftiger Ablehnung, eine Folge des oft rücksichtslosen und anstößigen Auftretens der Blauhelme.

Den allgemein verbreiteten negativen Eindruck konnte auch das deutsche Ärzteteam nicht konterkarieren, dessen Einsatz selbst sehr geschätzt wurde. Trotz der UNO-Richtlinien aus New York, denenzufolge nur Untac-Personal behandelt werden durfte, bestand das Personal im deutschen Feldhospital darauf, jeden Einheimischen zu behandeln, der um Hilfe nachsuchte.

Was kann man von diesen Erfahrungen lernen? Zu den wichtigsten Erfolgen der „zivilen“ Aktivitäten der Blauhelme gehörte, daß sie dazu beigetragen haben, die Sicherheit der UNO-Soldaten und die Kooperation mit der lokalen Bevölkerung zu verbessern. Zugleich stärkten sie, vor allem in den abgelegenen Landstrichen, die Reputation der Vereinten Nationen als eine positive und unparteiische Kraft. Natürlich gab es Probleme bei der praktischen Umsetzung, bürokratische und andere. So hatten einige NGOs, die bereits vor Ort arbeiteten, eine Aversion gegenüber der Kooperation mit Militärs. Und dann stritten sich unterschiedliche UNO-Organisationen um die jeweilige Zuständigkeit.

Für künftige Blauhelm-Einsätze der Vereinten Nationen lassen sich daher mehrere Lehren ziehen:

Das Militär sollte auch ein ziviles Mandat haben und über separate Finanzmittel verfügen; die Soldaten sollten wissen, daß ein ziviles Engagement integraler Bestandteil ihrer Aufgabe ist und nicht nur ein freiwilliger Zusatz; ohne gute Kooperation mit den Hilfsorganisationen, die vor Ort arbeiten, geht es nicht; die Projekte sollten nicht als Hintergrund für medienwirksame Fotos dienen; und es sollten Projekte sein, die auch noch nach dem Abzug der Blauhelme nützlich bleiben. Im übrigen müssen Verhaltensregeln für die Soldaten im Umgang mit der Bevölkerung, im Dienst und in der Freizeit, strikt durchgesetzt werden.