Mit „Hinz und Kunzt“ auf der Platte

■ Ab heute: Deutschlands erste Obdachlosen-Zeitung

Hamburg (taz) – Der Sticker, den Roland Michael Daniel an seiner Jeansweste trägt, sagt es unmißverständlich: „Ich weiß, was mir fehlte: Hinz und Kunzt“. Die bundesweit erste Obdachlosenzeitung erscheint heute in Hamburg mit einer Auflage von 30.000 Stück.

Die Idee hatte Pastor Stefan Reimers vom Diakonischen Werk. Auf seine Initiative fuhren vor gut einem Jahr zwei Redakteure nach London, um bei Big Issue, Englands großer Obdachlosenzeitung, zu lernen. „Als sie wieder da waren, stellten sie eine Kaffeemaschine in die Redaktionsräume, und mehr taten sie nicht“, sagt Daniel, selbst obdachlos und seit sechs Wochen Mitarbeiter bei Hinz und Kunzt.

Erst als sich die Selbsthilfegruppe „Oase“ einmischte, wurde aus der Idee tatsächlich in nächtelanger Arbeit eine Zeitung. „Wir waren der Motor“, sagt Roland Michael Daniel stolz. Er hält die erste Ausgabe des von nun an monatlich erscheinenden „Hamburger Straßenmagazins“ in der Hand.

Acht Obdachlose und zwei Profis arbeiten ehrenamtlich für die Zeitung. Nur wer die Zeitung auf der Straße verkauft, verdient daran. Im Moment haben 40 Obdachlose einen Verkaufsausweis mit Lichtbild. Vom Erlös bekommen sie eine Mark für jede verkaufte Zeitung. Sie dürfen während der Arbeit nicht betrunken sein und nicht betteln.

Schwierig dürfte für viele allerdings sein, die Zeitungen vorher selbst für 50 Pfennig das Stück zu kaufen. „Kredit gibt's nicht“, sagt Peter Plagemann, Inhaber vom „Verkaufsausweis vier“.

Die bisherigen Kosten von rund 90.000 Mark trägt zur Hälfte die Kirche, der Rest setzt sich aus Spenden zusammen. Sein Ziel formuliert Herausgeber Stefan Reimers erst einmal ganz praktisch: „Ich wäre froh, wenn es gelingt, einige Dutzend Menschen in konstruktive Zusammenhänge einzubinden, die es ihnen ermöglichen, diesen Winter durchzustehen.“ Torsten Schubert