„Was sie gemeinsam haben, ist der Virus“

Vierte Bundesversammlung von Menschen mit HIV und Aids unter dem Motto „München leuchtet positiHIV“ will mehr als ein Forum für Informations- und Erfahrungsaustausch sein  ■ Aus München Michaela Schießl

München leuchtet mal wieder – aber diesmal in einem ganz besonderen Licht: „München leuchtet positiHIV“, lautet das Motto der 4. Bundesversammlung von Menschen mit HIV und Aids. Etwa 350 Personen hatten sich am Donnerstag zur Eröffnung in der Winthierschule versammelt. Und sahen sich unversehens mit den Schattenseiten der erhellenden Veranstaltung konfrontiert. Kamerateams drängelten sich im Raum, filmten die Gesichter der Teilnehmer und zoomten auf das einzige Kind im Saal. Widerwillig versteckten sich HIV-Positive hinter ihren Broschüren. „Natürlich ist das eine Gratwanderung“, sagt Michael Lenz vom Veranstalter Deutsche Aids-Hilfe (DAH). „Zum einen freut uns Publicity, zum anderen ist das ein hochsensibler Bereich.“

Die Presse ist von den Workshops ausgeschlossen. Man will unter sich sein, wenn über alternative Therapien diskutiert wird, über die besonderen Probleme von Frauen, Schwulen, Drogenabhängigen und Hämophilen. Pflegeprojekte, politische Strategien und das Verhältnis zwischen Arzt und Patient werde besprochen, ebenso wie die Möglichkeiten der Sexualität von HIV-Erkrankten und die noch ungeklärte Erscheinung der Longterm-Surviver, Menschen, die schon lange mit dem Virus leben, ohne erkankt zu sein. „Das wichtigste ist, ein Forum zu bieten für Informations- und Erfahrungsaustausch“, sagt Lenz, „denn nur auf dieser Grundlage können wir Forderungen an die Politik artikulieren. Das einzige, was sie zunächst gemeinsam haben, ist der Virus.“

Beim ersten Treffen 1990 in Frankfurt brachen die Drogenabhängigen die Dominaz der Schwulen auf – mit dem Erfolg, daß nun ein Ex-User im Vorstand der DAH sitzt. 1992 nutzten die Frauen das Forum (Motto damals: „Perlen für die Säue“), um ihre Probleme in den Mittelpunkt zu rücken. Daß München im Zeichen der durch den Blutskandal ins Scheinwerferlicht gerückten Hämophilen stehen wird, glaubt Lenz nicht.

„Da herrscht eine unangemessene Hysterie, immer noch sind die Betroffenen zu neunzig Prozent Schwule und Junkies. Der Blutskandal kocht nur so hoch, weil der ganz normale Heterosexuelle gefährdet ist, der biedere Bürger, der sich in Sicherheit wiegt. Was natürlich auch nicht hinkommt: Geschäftsreisende etwa zählen auch zur Risikogruppe, ebenso Sextouristen.“

Doch auch der Veranstalter steht in der Kritik: Die DAH habe sich zu einem arroganten Dachverband entwickelt, der mehr mit dem Verwalten und Verteilen der staatlichen Gelder beschäftigt sei als mit der konkreten Mitgliederarbeit, etwa der Pflege. Die politischen Möglichkeiten werden nicht genutzt, und der Kontakt zur Basis sei verlorengegangen, schreibt das Schwulenmagazin Magnus. „Das ist Quatsch. Natürlich ist der Dachverband gewachsen, deshalb gibt es ja die 130 Mitgliederverbände für die konkrete Hilfe vor Ort“, sagt Vorstand Olaf Leser. Und Lenz bezweifelt das Anliegen der Kritiker: „Ich habe alle Schwulenzeitschriften hierher geladen, wo sich nun wirklich die Basis trifft, sogar Fahrtkostenbeteiligung angeboten. Gekommen ist keine einzige. Wo ist da die geforderte Basisnähe? Kein Zweifel, daß die DAH kritikwürdig ist. Aber die Kritik in Magnus hat ziemlich sicher persönliche Gründe.“