Logik des Terrors

■ Anschläge der PKK heizen in der Türkei nationalistisches Klima an

„Die PKK hat sich an Hitler ein Vorbild genommen. Wie die Nazis stecken sie Türken in Brand“, titelte gestern die türkische Tageszeitung Hürriyet. Doch weder türkische Politiker noch die Medien sind überrascht über die Anschläge der PKK. Wie schon so oft fordert das türkische Außenministerium ein Verbot der PKK: „Die Angriffe der Terrororganisation PKK im Ausland machen öffentlich, welchen Schaden der öffentlichen Ordnung zugefügt wird. Wir erwarten, daß die betreffenden Regierungen diese Organisation für illegal erklären und jederlei Aktivitäten wirksam verbieten.“

Doch in kaum einer Zeitung wurden die Anschläge in Europa zur Hauptschlagzeile. Der terroristische Charakter der PKK sei ohnehin offenkundig. Daß inzwischen auch willkürlich Menschen in türkischen Kaffeehäusern getötet werden, gehöre zur Logik des Terrorismus. Die Europäer hätten lange Zeit vor diesen Tatsachen die Augen verschlossen. Der Chefkolumnist der Tageszeitung Milliyet, Altan Öymen, der bereits beklagt hatte, daß über Terrorakte der ETA und der IRA in europäischen Medien berichtet werde, während Terrorakte der PKK in der Türkei verschwiegen würden, sieht eine neue Qualität der PKK- Anschläge: „Zwar hat die PKK schon zuvor türkische Konsulate und Institutionen angegriffen. Sie hatte Gebäude zerstört und die Menschen in Schrecken versetzt. Doch diesmal hat sie neben solchen Aktionen Türken zur Zielscheibe gemacht, die keinen offiziellen Status haben. Sie haben Bomben auf Kaffeehäuser geworfen, wo Türken verkehren, um zu entspannen, und sich zu unterhalten. Das ,Verbrechen‘ der Opfer ist, ,Türke‘ zu sein. Ein primitives Beispiel dafür, wie der Terrorismus seine Stütze im Rassismus findet.“ Noch vor Jahren waren die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen türkischer Armee und PKK in den kurdischen Regionen für die Mehrheit der Türken fernab des Lebensalltages. Doch die Anschläge im Westen der Türkei, wie auch die jüngsten Anschläge in Europa, schaffen ein nationalistisches Klima, das Massen gegen die PKK mobilisiert. Das Spiel der Istanbuler Fußballelf Galatasaray gegen Manchester United letzten Mittwoch in Istanbul, bei dem Galatasaray den Sprung in die Finalrunde des Europapokals der Landesmeister schaffte, hatte zur Folge, daß Millionen Menschen in der Türkei im Siegestaumel auf die Straße gingen. „Europa, höre uns!“ und „Nieder mit der PKK!“ waren die Schlachtrufe. PKK-Anschläge, die unbeteiligte Opfer in Kauf nahmen, begünstigen das Umschlagen der Feindschaft gegenüber der PKK in eine Feindschaft gegenüber Kurden generell und mobilisieren nationalistische „Racheakte“. Nach Anschlägen der PKK in der Region Erzurum, bei denen Frauen und Kinder getötet wurden, kam es am vergangenen Wochenende zu nationalistisch motivierten Ausschreitungen in Erzurum, bei denen die Demonstranten versuchten, in kurdische Quartiere einzudringen. Nur durch den Einsatz von Militär konnte ein Blutbad abgewendet werden. Ömer Erzeren, Istanbul