Neuer Arbeitslosenrekord in „schwieriger Lage“

■ Zahl der Arbeitslosen in Ost und West auf insgesamt über 3,5 Millionen gestiegen / Pendler an der ehemaligen innerdeutschen Grenze überdurchschnittlich betroffen

Nürnberg (taz) – Mehr als 3,5 Millionen Menschen waren Ende Oktober ohne Arbeit. Damit hat die Arbeitslosenzahl einen neuen Höchststand erreicht. Für Bernhard Jagoda, Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, Anlaß genug, von einer „unverändert schwierigen Lage“ auf den Arbeitsmärkten in alten und neuen Bundesländern zu sprechen.

Von jahreszeitlichen Einflüssen bereinigt, stieg die Zahl der Arbeitslosen in den alten Bundesländern im Oktober gegenüber dem Vormonat um 56.000. Die Statistik verzeichnete knapp 2,36 Millionen Arbeitlose und damit eine Arbeitslosenquote von 7,6 Prozent. Das sind knapp 600.000 Arbeitslose mehr als vor einem Jahr. Auch die Zahl der Kurzarbeiter kletterte um 70.000 auf 660.000. Zwei von drei Kurzarbeitern kommen aus den Branchen Straßenfahrzeugbau, Elektrotechnik und Maschinenbau.

Insbesondere das ehemalige „Musterländle“ Baden-Württemberg ist von der Rezession besonders betroffen. Dort sind eineinhalbmal so viele Menschen ohne Arbeit wie ein Jahr zuvor. Die Arbeitslosenquote kletterte damit auf 6,8 Prozent, im Oktober 1992 waren es erst 4,5 Prozent.

In den neuen Bundesländern waren Ende Oktober 1.165.700 Menschen arbeitslos, 6.600 mehr als Ende September und 68.300 mehr als ein Jahr zuvor. Die Arbeitslosenquote liegt damit bei 15,3 Prozent. Gäbe es keine Fortbildungs-, Umschulungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie keine Vorruhestandsregelungen, ständen in den Statistiken für die neuen Länder rund 1,4 Millionen Arbeitslose mehr. Als „positives“ Signal wertet BA-Präsident Jagoda nicht nur die steigende Zahl von Arbeitsvermittlungen außerhalb von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) im Osten, sondern auch das „Herausbilden einer Wirtschaftsregion Großraum Berlin“.

Schlecht ist es dagegen um die an der ehemaligen innerdeutschen Grenze gelegenen Regionen bestellt. In fast allen Arbeitsamtsbezirken, die Niedersachsen, Hessen oder Bayern benachbart sind, nahm die Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich zu. „Dort hat wohl eine größere Zahl von Pendlern infolge der Rezession im Westen den Arbeitsplatz verloren und sich ,zu Hause‘, also im Osten, arbeitslos gemeldet“, analysierten die BA-Experten.

Da die Mehrheit der Wirtschaftsforschungsinstitute eine konjunkturelle Besserung erst für das kommende Jahr erwarte, fordert Jagoda „Mut zu unkonventionellem Denken und innovativen unternehmerischen Lösungen“. Bernd Siegler